Das Einhornmädchen Vom Anderen Stern
Frühstück fraß. Also war sie von dieser Drohung zwar eingeschüchtert genug, um Ruhe zu geben, aber nicht so verängstigt, daß sie in kreischende Hysterie verfallen wäre.
Acorna war in der Tat im Garten, wohin sie sich (unter den wachsamen Augen von Hafiz Harakamian) von Lärm und dem geselligen Geplauder der Feier zurückgezogen hatte, um mit einigen von Delszaki Lis vornehmsten Gästen über Angelegenheiten von für sie größerer Bedeutung zu sprechen.
»Ist nicht nur gesellschaftliches Ereignis«, hatte Li alle seine Leute instruiert. »Ist Sondieren des Terrains. Müßt wenig reden, viel zuhören, versucht herauszufinden Quelle der in hohem Regierungsamt sitzenden geheimen Opposition.
Vielleicht sagt Leiter des Bauamts: ›Ist nicht meine Schuld, gnädige Dame, ist Warnung von Sprecher des Rates, daß es wäre unklug für politisch bestallten Beamten wie mich, zu fördern Projekte, die gewissen Mitgliedern seiner Wählerschaft nicht genehm.‹ Vielleicht Sprecher des Rates sagt: ›Bin verpflichtet, zu schützen Interessen der glasverarbeitenden und zugehörigen Industrie‹. Dann wir vielleicht sagen: ›Aha!
Sollten nehmen Tondubh-Glashütte näher in Augenschein.‹
Nur Beispiel, ihr versteht«, hatte Li beinahe schnurrend erläutert. »Persönlich nicht erwarte, zu finden Quelle der Opposition in Tonbubh. Habe bereits gekauft größten Teil der von Deppamadian Tondubh bestochenen Richter und Staatsdiener. Er ist knausriger Mann, bezahlt Arbeiter nicht, bezahlt nicht einmal gute Bestechungsgelder. Aber vielleicht ihr findet irgendeine andere Spur. Hört zu! Hört zu! Und wenn müßt reden, dann euch macht unbeliebt.«
»Warum?« hatte Pal sich erkundigt.
»Wie?« Das war Calum, den dieser Ratschlag eher neugierig machte als beunruhigte.
»Beschuldigt Richter, daß sie würden annehmen Bestechungsgelder; behauptet, daß Politiker hätten zu verdanken ihr Amt Industrieinteressen; deutet an, daß Staatsdiener stünden insgeheim in Diensten des Rattenfängers.
Achtet darauf, wer wirkt nervös und wechselt das Thema. Alle Leute hier möchten gerne gelten als ehrenwerte, gute Leute, die persönlich achten Föderationsgesetze und Kezdeter Planetargesetze gleichermaßen. Irgend jemand das nicht tut.
Seid unverschämt, meine Kinder.« Er lächelte seraphisch.
»Irgend jemand uns bereits haßt. Seid gnädig. Gebt ihm guten Grund, uns zu hassen und zu fürchten.«
Acorna glaubte nicht, daß sie irgendein echtes Talent besäße, Leute vor den Kopf zu stoßen, also hatte sie statt dessen pflichteifrig Lis erste Direktive befolgt und überall aufmerksam zugehört. Aber sie bezweifelte, daß sie ihrer gegenwärtigen Konversation irgend etwas anderes entnehmen können würde, außer daß Depp Tondubh seinem Spitznamen alle Ehre machte und daß Tumim Viggers, der Leiter des Bauamts, und die Politikerin Vidra Shamali nicht minder blasiert, selbstzufrieden und für guten Rat unzugänglich waren.
Alle drei dieser gesellschaftlichen und politischen Spitzenpersönlichkeiten der Kezdeter Gesellschaft waren mehr als erfreut, mit einer liebreizenden jungen Dame durch Lis exotische Gärten schlendern zu können, selbst wenn sie einen sonderbaren Auswuchs in der Mitte ihrer Stirn aufwies.
Acorna hatte Lis Ratschlag beherzigt und hatte, anstatt zu versuchen, ihre körperlichen Unterschiede zu verbergen, sie vielmehr unterstrichen. Ihr hautenges Kleid aus Illic-Spinnenseide betonte die schlanken, flachen Linien ihres Körpers; ein spiralförmig gewickeltes, juwelenbesetztes Schmuckband akzentuierte ihr weißes Horn. Das Resultat war genau so, wie Li es vorausgesagt hatte: Nach ein paar überraschten Blicken war die vornehme Gesellschaft von Celtalan zu dem Schluß gelangt, daß alles so augenfällig zur Schau Gestellte eine Zier sein mußte und nicht eine Mißbildung. (»Es ist ein Merkmal, kein Defekt«, hatte Calum sardonisch bemerkt und auf Nachfrage hinzugefügt: »Ein Spruch von der Alten Erde. Ich bin mir nicht ganz sicher, was er bedeutet.«)
Unglücklicherweise war es recht unwahrscheinlich, daß das gönnerhafte Geschwätz, dessen sich Depp und Tumim befleißigten, Acorna irgendeine andere Ausbeute liefern würde als extreme Langeweile und das wachsende Verlangen, sich umzudrehen und den beiden dorthin zu treten, wo ihre scharfen, harten Füße die größte Wirkung erzielen würden.
Was Vidra betraf, so begleitete sie ihre Belehrungen wenigstens nicht mit jenen schleimigen Blicken und verstohlenen
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