Das Einhornmädchen Vom Anderen Stern
›Avvi‹, meine Herren«, sagte er, »scheint es, daß wir gefordert sind.«
Sobald sie herausgefunden hatte, daß Gills Bart weich war und ihr im Gesicht kitzelte und daß seine großen Hände behutsam waren, wurde sie in seinen Armen ruhiger. In der Annahme, daß sie vom wer weiß wie langen Aufenthalt in der Kapsel zumindest durstig sein mochte, wagten sie das Experiment, ihr Wasser anzubieten. Sie hatte Zähne. Der Becher würde für immer deren Eindrücke auf seinem Rand tragen. Sie zog beim ersten Kosten des Wassers eine Grimasse, zumindest behauptete Gill, daß es eine gewesen wäre, aber sie war zu ausgetrocknet, um es nicht anzunehmen. Fleisch spuckte sie sofort wieder aus, und sie war wenig begeistert von Crackern und Brot. Beunruhigt, daß sie ihre eigenen Nahrungsmittel womöglich nicht vertrug, eilte Calum in die Hydroponikabteilung des Lebenserhaltungsmoduls hinab und raffte eine Auswahl von blattreichem Gemüse zusammen. Sie schnappte sich gierig den Kopfsalat und stopfte ihn in den Mund, langte nach der Artischocke, die sie genüßlicher knabberte, bevor sie mit der Karotte und dem Rettich weitermachte. Als sie genug zu essen gehabt hatte, wand sie sich aus Gills Armen und watschelte davon – geradewegs zum nächsten interessanten Instrumentenbord, wo sie einen Alarmmelder losplärren ließ, bevor Gill sie aus dem Gefahrenbereich wegriß und Calum ihre Fehlschaltung korrigierte.
Sie sah verängstigt aus, die Pupillenschlitze in ihren silberfarbenen Augen zu einem Nichts geschlossen und ihr kleiner Körper stocksteif. Sie brabbelte ihnen etwas Unverständliches zu.
»Nein, Schätzchen, nein«, tadelte Gill sie mit hochgerecktem Finger. »Verstehst du mich? Nicht anfassen.« Und er griff nach vorn, berührte fast die Schalttafel und zuckte mit seiner Hand zurück, mimte Schmerzen und steckte seine Finger in den Mund, pustete dann auf sie.
Die Schlitze in ihren Augen weiteten sich, und sie sagte etwas mit einer fragenden Betonung.
»Nein!« wiederholte Gill, und sie nickte, legte beide Hände hinter ihren Rücken.
»Ah, sie ist ein mächtig intelligentes Würmchen, das ist sie«, kommentierte Calum beifällig und lächelte, als er ihr federweiches Haar streichelte.
»Sollten wir ihr das Klo zeigen, was meint ihr?« fragte Rafik und betrachtete ihre Unterleibsgegend, die mit einem leichten Fell bedeckt war.
»Sie besitzt nicht die Ausstattung, um unsere Toilette zu benutzen«, entgegnete Gill, »außer, sie ist ein Er, und er versteckt, was er hat.« Gill begann seinen Bart zu befingern, was bedeutete, daß er nachdachte. »Sie ißt Gemüse wie ein grasendes Tier…«
»Sie ist kein Tier!« Calum war zutiefst empört ob dieser Unterstellung.
»Aber sie ißt in der Tat Gemüse. Vielleicht sollten wir ihr die Hydroponikabteilung zeigen. Wir haben doch dort dieses Beet, das wir für den Rettich nutzen…«
»Und du hast ihr gerade den letzten Rettich gegeben…«
Rafiks Tonfall klang halb vorwurfsvoll.
»Sie ist nicht katzen- oder hundeartig«, fuhr Gill fort. »In Wahrheit, was für ein süßes Kind sie auch sein mag, hat sie etwas beinahe… Pferdeartiges an sich.«
Rafik und Calum bestritten diese Einordnung heftig, während sie ziemlich unruhig wurde und sich überall umblickte.
»Sieht für mich so aus, als ob sie so dringend muß, wie es einem jungen Ding nur möglich ist«, fuhr Gill fort. »Wir werden es mit dem Beet versuchen müssen.«
Das taten sie, und sie beugte sich etwas nach vorn und erleichterte sich, wobei sie mit ihren sonderbaren Füßen ordentlich lockere Erde über die Stelle scharrte. Dann sah sie sich um, auf all die grünen und wachsenden Dinge.
»Vielleicht hätten wir die Erde zu ihr bringen sollen«, meinte Gill.
»Jetzt laßt uns sie hier rausbringen«, verkündete Rafik. »Wir haben sie gefüttert und entleert, und vielleicht wird sie jetzt schlafen, so daß wir alle an die Arbeit zurückkehren können, die wir eigentlich tun müßten.«
In der Tat war sie ganz einverstanden damit, zur offenen Kapsel zurückgeführt zu werden, und kroch oben hinein, rollte sich zusammen und schloß ihre Augen. Ihre Atmung verlangsamte sich zu einem Schlafrhythmus. Und sie gingen auf Zehenspitzen zurück an ihre Arbeitsstationen.
Die Debatte darüber jedoch, wie sie künftig mit ihr verfahren sollten, wurde den ganzen Nachmittag hindurch fortgesetzt, gelegentlich durch die Aufgabe unterbrochen, die um den Rumpf des Asteroiden gelegte, große Festmachertrosse neu befestigen
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