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Das einsame Haus

Das einsame Haus

Titel: Das einsame Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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dahinter den Fabrikhof, aber keine Menschenseele. Neben dem schweren Eisentor entdeckte ich eine Klingel und drückte auf den Knopf.
    Nach dem viertenmal erschien ein älterer Mann, der mich mißtrauisch durch das Gitter musterte.
    »Haben Sie geklingelt?« fragte er. »Was wollen’s denn?«
    »Ich bin Zeitungsreporter und wollte ein paar Fragen an Sie stellen.«
    »Ich weiß nix«, sagte er. »Kommen’s morgen früh wieder.«
    Ich entdeckte hinten in seiner Loge etwas und sagte:
    »Über Freizeitgestaltung möchte ich schreiben. Hobbys, verstehen Sie. Ihre Fische da hinten, das Aquarium — ich habe in meiner Sammlung noch keinen Pförtner, der Segelflosser züchtet.«
    Sein zerknittertes Gesicht glättete sich, er wandte sich um und drückte auf einen Knopf. Das Tor öffnete sich elektrisch.
    »Das is was andres«, sagte er. »Kommen’s nur ‘rein.«
    Wir setzten uns vor das Aquarium, rauchten, und ich hörte mir einen langen Vortrag über Segelflosser im allgemeinen und Scalare im besonderen an. Zum Schein machte ich mir Notizen, und eine Viertelstunde später hatte ich das Gefühl, daß nur ein Halbgebildeter nicht weiß, bei welcher Wassertemperatur Scalare Lust auf Nachwuchs bekommen, und welchen PH-Wert das Wasser dazu haben muß.
    »Übrigens«, sagte ich nach einer Weile so ganz nebenbei, »kenne ich Ihren Chef, Herrn Möhnert. Er ist in Urlaub in Spanien, nicht?«
    »Ja. Er ist vor acht Tagen nach Spanien gefahren... So?« fragte er, als komme ihm das jetzt erst zum Bewußtsein. »So? Sie kennen Herrn Möhnert?« Er musterte mich mit gerunzelter Stirn. »Sie sind wegen des Autodiebstahls gekommen, oder?«
    »Ja, eigentlich schon. Der Wagen wurde am Dienstag gestohlen. Stimmt’s?«
    »Und was geht Sie das an, Herr? Die Polizei sucht ihn, und wenn die im Büro glauben, sie können mir was anhängen, dann haben sie sich geschnitten.«
    »Wer will Ihnen denn was anhängen?«
    »Der Buchinger, der Personalchef. Ich hatte Tagschicht bis Mittwoch, wir wechseln immer am Mittwoch, und jetzt will er mir einen Strick daraus drehen. Aber wenn es ernst wird, dann packe ich aus, darauf kann er sich verlassen.«
    Ich beschloß, einen Frontalangriff zu wagen.
    »Also wissen Sie, wer den Wagen aus dem Fabrikhof geklaut hat?«
    »Natürlich. Aber ich halte meinen Mund, solange man mich in Ruhe läßt. Noch dazu, wo der Chef in Urlaub ist. Aber wenn er zurückkommt, werde ich ihm reinen Wein einschenken, ehe ich mir vom Buchinger Vorwürfe machen lasse.«
    »Na, rücken Sie schon ‘raus damit. Wer hat ihn denn geklaut?«
    Er überlegte lange, dann sagte er: »Vielleicht ist es ganz gut, wenn es einer von der Zeitung weiß. Für alle Fälle, sozusagen. Nur schreiben dürfen Sie nichts darüber, wenigstens jetzt noch nicht.«
    »Mein Ehrenwort. Erzählen Sie. Vielleicht kann ich Ihnen auch einen Rat geben, denn schließlich kenne ich ja Herrn Möhnert ganz gut.«
    »Eben«, nickte er, »deshalb habe ich mir ja auch gedacht, daß ich es Ihnen erzähle. Privat kann man da mehr ausrichten als über das Büro.«
    »Klar. Also...?«
    Er nahm die Zigarette, die ich ihm anbot, tat ein paar tiefe Züge und zwinkerte mir vertraulich zu.
    »Können Sie es sich nicht denken? Wenn Sie den Chef so gut kennen, müßten Sie es doch erraten.«
    »Tun Sie nicht so geheimnisvoll. Warum soll ich erst herumraten?«
    »Der Junior natürlich«, sagte er. »Dämmert Ihnen jetzt was?«
    »Der Junior? Ist das die Möglichkeit!«
    »Genau der. Dieses Früchtchen! Jedesmal, wenn der Chef mit seinem Privatwagen unterwegs war, hat sich der Junior den Firmenwagen geholt.«
    »Na schön«, sagte ich. »Da ist doch schließlich nichts dabei, oder?«
    »Und ob! Der Firmenwagen läuft doch auf Spesen, und der Alte — ich meine Herr Möhnert — hat streng verboten, daß wir den Junior mit dem Firmenwagen ‘rauslassen.«
    »Und warum haben Sie ihn am Dienstag doch ‘rausgelassen? Und wieso kommt es, daß dann der Wagen der Polizei als gestohlen gemeldet wurde?«
    »Ich habe ihn gar nicht ‘rausgelassen. Er muß gelauert haben, bis ich zum Essenholen gegangen bin, und dann ist er abgehauen.«
    »Also haben Sie ihn nicht selber gesehen?«
    »Wie denn? Ich hätte ihn doch nicht durchs Tor gelassen.«
    »Und wer hat die Anzeige erstattet?«
    »Die Geschäftsleitung. Der Buchinger wahrscheinlich. Was weiß ich?...«
    »Und Sie sind nicht hingegangen und haben gesagt, daß der Junior...«
    »Himmel noch mal!« unterbrach er mich. »Ihre verdammte Fragerei

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