Das einsame Haus
was auf dem Foto zu sehen war. Aber Freddy Möhnert hatte es offenbar erkannt. Er wurde noch blasser, er leuchtete fast vor Blässe und dann stammelte er:
»Das ist... das... das...«
Weiter kam er nicht. Wendlandt legte das Foto auf den Tisch und sagte:
»Das ist ein gewisser Freddy Möhnert, morgens um sechs Uhr sechzehn vor dem Haus seiner Eltern von einem meiner Beamten heimlich fotografiert. Sie haben das Haus betreten, sind dort ungefähr zwölf Minuten geblieben und haben dann das Haus wieder verlassen, und zwar sehr hastig. So hastig, daß Sie nicht einmal meinen Beamten gesehen haben, der bei dieser Gelegenheit die zweite Aufnahme von Ihnen gemacht hat.« Er richtete sich auf, die Gleichgültigkeit, mit der er bisher gesprochen hatte, war aus seinem Gesicht verschwunden. »Ich verhafte Sie, Herr Möhnert, wegen des dringenden Verdachts, daß Sie Ihre Stiefmutter Vera Möhnert erschossen haben.«
»Nein!« schrie Freddy plötzlich. »Nein! Verdammt noch mal, das ist ein Irrtum, ein ganz blöder Irrtum! So lassen Sie sich doch erklären, wie...«
»Wollen Sie damit etwa andeuten, daß die Polizei diese Aufnahmen gefälscht hat? Das würde Ihnen kein Geschworener abkaufen, Herr Möhnert.« Er schaute auf seine Armbanduhr. »Ich habe jetzt noch zu tun, und Sie haben zwei Stunden in Ihrer Zelle Zeit zum Überlegen, ob Sie leugnen wollen oder ein offenes Geständnis ablegen. Der weitere Verlauf der Handlung liegt ganz in Ihren Händen. Abführen!«
Als sich die Tür hinter Freddy Möhnert geschlossen hatte, schaute ich den Inspektor verblüfft an. Ich hatte nicht damit gerechnet, daß er mit seinen Nachforschungen so viel weiter gekommen war als ich.
7
Er wollte das Foto wieder in der Schublade versenken. Ich streckte die Hand aus.
»Darf ich mal?«
Er gab es mir. Es war scharf genug, um den jungen Möhnert deutlich zu zeigen, wie er das Haus betrat. Ich gab es Wendlandt zurück und grinste.
»Wenn Sie meinen, Inspektor, die Presse würde jetzt schreiben, daß Sie den mutmaßlichen Mörder festgenommen haben, irren Sie sich. Sie wissen genau, daß Freddy seine Stiefmutter nicht erschossen hat.«
»Gewiß. Aber es gibt bei uns keine Schutzhaft. Ich hatte keine andere Möglichkeit, ihn für ein paar Tage aus dem Verkehr zu ziehen. Ich möchte ihn aber nicht mit Gift im Magen oder einer Kugel im Herzen finden.« Er holte ein weiteres Foto aus seinem Schreibtisch. »Schauen Sie sich das mal an.«
Wieder sah ich Freddy, aber diesmal am Gartentor. Es schien, als sichere er nach allen Seiten, wie ein Fuchs, und da war...
»Er trägt eine Aktentasche«, sagte ich. »Als er ins Haus ging, hatte er keine bei sich.«
»Eben«, nickte Wendlandt. »Das habe ich auch entdeckt. Und was schließen Sie daraus?«
»Daß er sie aus dem Haus mitgenommen hat. Aber, Inspektor, jetzt kapiere ich gar nichts mehr. Das war am Samstag frühmorgens. Ich habe die tote Vera Möhnert gefunden und Sie verständigt. Kurze Zeit später mußten Sie doch schon die Fotos gehabt und gewußt haben, daß Freddy vor mir im Haus gewesen ist. Warum haben Sie den ganzen Sonntag verstreichen lassen, ehe Sie ihn festgenommen haben?«
Sein Gesicht zeigte eine unverbindliche Freundlichkeit.
»Weil ich mit meiner Familie in die Berge gefahren bin. Auch wir Kriminalbeamten brauchen unseren Sonntag.«
Gut, er wollte mir nicht mehr sagen. Ich stand auf, weil ich plötzlich eine Eingebung hatte und keine Zeit verlieren wollte.
»Auch recht«, sagte ich. »Es geht nichts über ein glückliches Familienleben. Und wer ist nun wirklich der Mörder?«
Seine Freundlichkeit wurde geradezu impertinent.
»Auf diese Frage möchte ich der Presse im Augenblick noch keine Antwort geben. Vermutlich aber denken wir beide an die gleiche Person. Grüßen Sie Ihre Verlobte von mir!«
Es war nichts zu wollen. Ich verabschiedete mich und fuhr hinaus nach Milbertshofen zur COLORAG.
Auf dem Parkplatz vor der Fabrik vermißte ich einen kleinen weißen Wagen mit der Nummer M — U 77.
»Ich möchte Fräulein Anna van Straaten sprechen«, sagte ich dem Portier. »Es ist dringend.«
»Komisch«, sagte er. »Die hat heute offenbar ihren Besuchstag. Sie sind schon der Dritte. Aber Fräulein van Straaten ist nicht im Betrieb.«
»Wo kann ich sie finden?«
Der Portier zuckte mit den Schultern.
»Keine Ahnung. Vielleicht zu Hause, vielleicht ist sie krank, soll ich mal im Personalbüro...«
»Nein, vielen Dank.«
Ich fuhr quer durch die Stadt nach Ottobrunn hinaus
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