Das einsame Haus
Wut.
»Weil er mich für den Mörder hält. Er würde, falls ich ihm jetzt von Möhnerts Verhältnis erzählte, glauben, ich täte das nur, um ihn auf eine andere Fährte zu bringen.«
Ich gab mir Mühe, ihn meine Überraschung nicht merken zu lassen. So ruhig wie möglich sagte ich:
»Und woher wissen Sie, daß Wendlandt Sie verdächtigt? Hatten Sie denn ein Motiv, Ihren Chef umzubringen?«
»Gewiß«, nickte er. »Walther Möhnert machte vor fünf Jahren einen Vertrag mit mir, demzufolge ich am Umsatz der COLORAG beteiligt bin. Damals war das Unternehmen noch nicht so bedeutend wie heute, der Umsatz auch nicht. Aber nun wäre im nächsten Monat der Vertrag abgelaufen, und es ist wiederum kein Geheimnis in der Firma, daß ihn Möhnert nicht mehr verlängert hätte. In dem Vertrag steht aber auch, daß er unkündbar ist, falls Möhnert aus irgendeinem Grunde aus der Geschäftsleitung ausscheiden würde. Nun, ich denke, sein Tod ist Grund genug.«
»Und Inspektor Wendlandt kennt diesen Vertrag?«
»Ja. Jemand hat ihm eine Fotokopie anonym zugeschickt.«
»Aha«, sagte ich, weil mir im Augenblick nicht mehr einfiel. Dieser Wendlandt! Er hätte mit Pokern mehr Geld verdienen können! Kein Sterbenswörtchen hatte er mir gegenüber von seinem Verdacht erwähnt, vielmehr ließ er mich wie einen Maulwurf im Gelände herumgraben und schaute mir vermutlich nur schadenfroh zu. Ich nahm mir vor, es ihm bei Gelegenheit heimzuzahlen. »Aha«, wiederholte ich, »das ist mir jetzt klar. Aber was soll ich nun tun? Warum erzählen Sie mir das alles?«
Er zog ein Scheckheft aus der Tasche, blätterte es auf und griff nach dem Kugelschreiber auf meinem Schreibtisch.
»Würden Sie mir einen Gefallen tun?« fragte er. »Natürlich gegen Honorar.«
»Je nach dem, Herr Buchinger. Was soll ich für Sie tun?«
»Suchen Sie die Frau, mit der Möhnert zusammen war. Wenn Sie sie finden, haben Sie auch seinen Mörder. Und damit bin ich entlastet.«
»Wird gemacht«, sagte ich. »Auch ohne Scheck. Sogar lieber ohne Scheck. Ich behalte lieber die Freiheit, mich nach meinem eigenen Gewissen zu entscheiden. Und nun geben Sir mir bitte einige Anhaltspunkte.«
»Ich habe keine«, sagte er. »Das ist es ja. Sonst würde ich Sie doch nicht brauchen.«
»Zum Teufel, spielen Sie doch nicht Katz und Maus mit mir! Irgend etwas müssen Sie doch wissen, sonst könnten Sie mir doch von dieser Frau gar nichts erzählt haben.«
»Ich weiß nur, daß sie existiert. Ich weiß auch, daß Möhnert in letzter Zeit öfters mit ihr zusammen war. Und ich hatte sofort den Verdacht, daß er gar nicht nach Spanien fahren würde, sondern irgendwo diese Frau treffen wollte. Vielleicht in dem Haus, wo er vergiftet worden ist. Jedenfalls hatte ich kurz nach seiner Abreise alles mögliche versucht, um ihn in Spanien aufzutreiben, aber er war nicht dort. Folglich mußte er woanders sein. Wo, das stellte sich ja erst heraus, als man ihn fand. Suchen Sie diese Frau?«
»Selbstverständlich.«
Er malte eine Eins und drei Nullen auf den Scheck, riß ihn aus dem Heft und schob ihn mir zu.
»Kein Honorar, sondern ein Vorschuß auf Ihre Spesen. Einverstanden?«
»Einverstanden.«
Er erhob sich.
»Es wäre mir lieb, wenn Sie rasch arbeiten würden. Jeder Tag ist für mich kostbar, Sie werden das hoffentlich begreifen.«
»Völlig. Sie hören von mir, sobald ich etwas weiß.«
Ich brachte ihn zur Tür, und als ich allein in meinem Zimmer stand, war mir, als hätte ich eben eine Riesendummheit begangen. Aber ich fand für dieses Gefühl keine sachliche Begründung. Was Buchinger gesagt hatte, hatte Hand und Fuß, man konnte es ihm abkaufen. Wenn es diesen Vertrag wirklich gab, und wenn Wendlandt davon wußte, dann wunderte es mich sogar, daß Buchinger noch nicht in Untersuchungshaft saß. Oder war sich Wendlandt auch nicht ganz sicher? Wußte er auch schon etwas von dieser Frau? Auf jeden Fall war es der Beweis, daß Anna van Straaten nicht die Mörderin von Walther Möhnert sein konnte...
Am Montagmorgen war ich in aller Frühe schon bei Wendlandt. »Na«, fragte ich gutgelaunt nach einem Sonntag voller Sonne, blauen Himmels und blauer Berge, »na, wie weit sind Sie nun? Gibt’s was Neues?«
»Keine Ahnung«, sagte er, »ich war gestern mit meiner Familie in den Bergen.«
Ich schüttelte den Kopf.
»Drei Morde, und die Kripo fährt in die Berge! Warum haben Sie mir eigentlich von dem Vertrag nichts gesagt, den der Personalchef besitzt, und der mit Möhnerts
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