Das einsame Haus
schmutzigeren Schürze ab.
»Blöde Sache, ha?« fragte er. »War gar net die Frau Gemahlin. Na — ich hab’ schon Schererei genug gehabt, aber sie hat mir ja einen Ausweis... «
»Man hat Sie zu einer Toten geführt, die Vera Möhnert hieß. Sie war erschossen worden, und Sie haben gesagt, daß diese tote Frau nicht die Frau sei, die nachts zu Ihnen gekommen war. Stimmt das?«
»Ganz genau, und so hab’ ich’s auch der Polizei gesagt.«
»Das weiß ich. Sie haben die Wahrheit gesagt. Aber beim zweitenmal haben Sie gelogen.«
»Ich?« Er tat so entsetzt, daß ich beinahe darauf hereingefallen wäre, aber ich war meiner Sache zu sicher.
»Ja«, sagte ich. »Sie haben gelogen. Wieviel hat Ihnen denn diese Frau bezahlt, daß Sie sie nicht erkennen, wenn man Ihnen ihr Foto zeigt? Oder auch umgekehrt: daß Sie die Frau wiedererkennen, obwohl ein Foto eine ganz andere Frau darstellt?«
Er brachte es fertig, sein Gesicht noch dümmer erscheinen zu lassen, als es ohnedies schon war.
»I versteh’ Ihnen jetzt überhaupts net, Herr.«
»Schade, dann muß ich doch die Polizei zu Ihnen bemühen. Ich hätte das lieber unter vier Augen mit Ihnen ausgemacht. Ich weiß nämlich, wer die Frau auf dem Foto ist — es ist nicht die Frau, die nachts bei Ihnen und dann in meiner Wohnung gewesen ist.«
Er dachte nach, was ihm offensichtlich Schmerzen bereitete, dann sagte er zögernd: »Vielleicht erklären Sie mir das Ganze noch mal. Möglich, daß ich mich dann besser besinnen könnt’.«
Ich bekam Oberwasser, weil ich nun wußte, daß meine Theorie stimmte. Nach zehn Minuten hatte ich gegen mein Versprechen, der Polizei nichts zu sagen, sein Geständnis: Tatsächlich war es eine andere Frau, als die auf dem Foto, gewesen, die ihn nachts zu meiner Wohnung geholt hatte.
Antonia Paola van Straaten...
Ich rief Wendlandt an und hatte Glück. Er war in seinem Büro.
»Inspektor, ich könnte einen Schritt weiterkommen. Allerdings müßte ich dazu mit Anna van Straaten sprechen können. Würden Sie mir das erlauben?«
»Ich kann es Ihnen nicht verbieten. Ich habe sie vor einer halben Stunde freigelassen.«
»Und Freddy?«
»Den noch nicht. Er ist auf der Krankenstation. Ich möchte weder einen weiteren Mord, noch einen Selbstmord riskieren.«
»Verständlich. Vielen Dank, Inspektor.«
»Halt, was wollen Sie von Anna?«
»Das sagte ich Ihnen doch schon: einen Schritt weiterkommen. Allerdings betrifft das mehr meine Intimsphäre.«
»So. Brenthuisen?«
»Ja, bitte?«
»Ich habe noch nie einem Menschen etwas Schlechtes gewünscht. Sie sind die erste Ausnahme.«
Ich konnte ihm nicht mehr antworten, weil er eingehängt hatte.
Eine halbe Stunde später hielt ich vor dem kleinen Haus in Ottobrunn. Annas kleiner weißer Wagen stand immer noch neben der Garage, und wieder öffnete mir der alte Herr. Aber diesmal ließ er mich eintreten. Ich folgte ihm in die kleine Diele, an deren Wänden alte Waffen hingen, eine neben der anderen. Er öffnete eine Tür und rief hinein:
»Fräulein van Straaten, ein Herr möchte Sie sprechen.«
Sie kam heraus, ein wenig unsicher und blaß, wie mir schien, aber darüber hinaus machte sie keinerlei Anstalten, mir vor Freude um den Hals zu fallen. Ich schaute mich um.
»Können wir hier ungestört reden?«
»Muß es unbedingt sein?«
»In Ihrem Interesse — ja.«
Sie seufzte.
»Du lieber Gott, was man plötzlich alles in meinem Interesse tun will. Ein paar Häuser weiter ist ein kleines Café. Es ist um diese Zeit immer leer. Kommen Sie.«
Sie hängte sich einen hellen Sommermantel über die Schultern, dann gingen wir schweigend nebeneinander her zum Café >Waldfrieden<, ein etwas übertriebener Hinweis auf die drei verkümmerten Fichten hinter dem Haus.
Außer uns war nur noch ein Liebespaar im Lokal. Wir setzten uns in die gegenüberliegende Ecke, ich bestellte für mich ein Kirschwasser, in dem sicherlich kein Nikotin war, und Anna bestellte sich eine Orangeade. Als die mürrische Bedienung verschwunden war, zog ich das Foto aus der Tasche und legte es vor Anna auf den Tisch.
»Wer ist diese Frau, Anna?«
»Meine Mutter. Wieso...«
»Wendlandt glaubt das. Morgen erscheint in der Presse dieses Bild mit der Aufforderung an die Öffentlichkeit, nach dieser Frau zu suchen, weil sie vermutlich eine Mörderin ist. Können Sie sich denken, was geschieht?«
Annas schöne grauen Augen starrten an mir vorbei ins Leere. Sie zuckte kaum merklich mit den Schultern.
»Ich weiß es
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