Das einsame Haus
ist doch... hat er das gesagt?«
»Der Buchinger? Natürlich. Haben Sie wirklich geglaubt, er würde Sie im Ernstfalle decken?«
Schwenk rang nach Fassung und Atem. Dann ballte er die kraftlosen Hände zu kraftlosen Fäusten und schüttelte sie zu dem Haus über der Straße hin.
»Dieser Kerl! Er hat mir hoch und heilig versprochen, es könne mir nie was passieren, wenn ich das Geld... na warte, ich werde der Polizei...«
»Sie haben das Geld also von ihm bekommen? Die ganze Sache mit dem mysteriösen Brief ist erfunden?«
Arnold Schwenk nickte zerknirscht.
»Es war seine Idee. Er sagte, es könne mir ja gar nichts dabei passieren, nur wenn ich den Mund aufmachen würde, und...«
»Gut«, sagte ich. »Das war’s, was ich hören wollte. Sie können wieder schlafen gehen.«
Er schaute mich an wie ein verprügelter Hund. Plötzlich kam oben aus einem Fenster die resolute Stimme der resoluten Frau Schwenk.
»Arnold? Was ist los? Komm sofort herauf, du brauchst deine Nachtruhe.«
In seinen Augen standen Tränen, als er leise sagte:
»Womit habe ich es nur verdient, daß alle auf mir ‘rumtrampeln? Womit nur?«
Er drehte sich um und verschwand im Haus, im gleichen Augenblick verlosch auch das Licht.
Ich zündete mir, während ich durch den Garten ging, eine Zigarette an und überlegte.
War es nicht Wahnsinn, ohne Waffe in Buchingers Haus zu gehen? Zu dem Mann, der rücksichtslos schoß? Zu dem Mann, der Walther Möhnert vergiftet, Vera Möhnert erschossen und auch versucht hatte, Antonia Paola zu töten?
Ich dachte an Wendlandt, sah sein ironisches Grinsen und hörte ihn in Gedanken sagen: >Na, Herr Reporter, fünf Minuten vor zwölf kapituliert? Doch Schiß gehabt, was?<
Nein, das war es nicht. Es war weder Ehrgeiz noch Jagdfieber. Es ging mir darum, eine Frau zu entlasten, der ein Satan die Grube gegraben hatte. Sie wußte, daß alles gegen sie sprach, und sie kämpfte verzweifelt darum, aus diesem Teufelskreis herauszukommen. Ich mußte ihr helfen. Die Nacht der Entscheidung war angebrochen, es mußte auch für diese Frau noch ein Morgen geben...
Ich warf meine Zigarette weg, ging über die Straße und klingelte.
Er öffnete mir so rasch, als habe er mich erwartet. Es konnte aber auch sein, daß er jemand anders erwartet hatte.
»Ah, Herr Brenthuisen! Kommen Sie ‘rein. Sicherlich ist es wichtig, sonst würden Sie doch wohl so spät nicht mehr kommen.«
»Sehr wichtig«, murmelte ich.
Er trug ein blütenweißes Hemd und einen dunklen Binder unter dem eleganten Hausmantel aus schwerer schwarzer Seide.
Mit einer Handbewegung lud er mich ein, in sein Wohnzimmer zu treten.
Es war ein großer, modern eingerichteter Raum, die Blumen in dem breiten Fenster waren von unten her beleuchtet, die Atmosphäre war intim. Auf dem Tisch vor der Couch stand eine Whiskyflasche und ein halbvolles Glas.
»Bitte«, sagte er und deutete auf die tiefen Polstersessel. »Bitte nehmen Sie Platz. Sie haben die Frau gefunden?«
Ich zog seinen Scheck aus der Tasche und ließ ihn auf den Tisch neben die Flasche flattern.
»Nein, ich habe sie nicht gefunden. Wenigstens nicht lebendig.«
Sein schmaler Kopf fuhr herum, die scharfen Falten von der Nase zu den Mundwinkeln wirkten wie tiefe Einschnitte.
»Was soll das? Wovon reden Sie?«
Ich setzte mich und schaute zu ihm auf. Er stand vor mir wie ein Sprinter vor dem Start.
»Sie ist nicht sofort tot gewesen«, sagte ich. »Sie lebte noch ein paar Minuten. Sie hat mir alles gestanden.«
Seine Augen waren wie blanker Stahl. Er prüfte mich eine volle Minute lang. Auf einmal entspannte sich sein Gesicht. Er lächelte.
»Ich verstehe. Sie waren das also?«
»Ja, ich. Ich sah Sie noch in den VW einsteigen und davonfahren. Als ich ins Haus zurückkehrte, lag Frau van Straaten in ihrem Blut auf dem Boden. Es hätte keinen Sinn gehabt, einen Arzt zu holen, noch dazu gibt es in diesem gottverdammten Haus ja kein Telefon. Sie starb wenige Minuten später, aber sie konnte noch sprechen. Was werden Sie nun tun?«
Er lächelte immer noch. Ein böses, teuflisches Lächeln.
»Das ergibt sich wohl von selber, Herr Brenthuisen. Die Tatsache Ihres Besuches ist zugleich die Antwort. Wieviel verlangen Sie?«
»Eine ganze Menge, Herr Buchinger. Wendlandt weiß, daß ich in der Sache stecke, bis über beide Ohren. Er wird mich ausquetschen, wird mich in die Enge treiben. Ich würde allerhand aufs Spiel setzen, beispielsweise meine ganze Existenz, wenn ich den Mund hielte. Was wäre
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