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Das einsame Herz

Das einsame Herz

Titel: Das einsame Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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einverstanden?«
    »Als Hauptprovisor?« Otto Heinrich Kummer sah Herrn Knackfuß mit jener Ungläubigkeit an, als habe er die Worte falsch verstanden. Dann aber, als der Apotheker ihm ermunternd zunickte, sprang er auf, ergriff in einer Aufwallung freudigen Dankes die Hand seines Prinzipals und rief: »Sie haben Vertrauen zu mir – möge das Schicksal fügen, daß ich Sie nie, nie enttäusche.«
    Doch so plötzlich, wie der Überschwang seiner Jugend ihn danken ließ, trat er einen kurzen Schritt zurück und senkte ein wenig betreten den Kopf.
    »Sie setzen mich, den Jüngsten, über alle in der Apotheke«, sagte Otto Heinrich leise. »Ich weiß nicht, Herr Knackfuß … Ihre Handlung mag gerecht sein. Sie haben Ihre Gründe, bestimmt haben Sie sie … Ich wagte nicht, in die Entscheidung einzugreifen, wenn nicht … wie soll ich sagen … verzeihen Sie, wenn ich es erwähne …« Er stockte einen Augenblick und sagte es dann klar heraus: »Die Beförderung stände Herrn Bendler als dem Älteren eher zu als mir.« Und als ob er den Freund vor einem Angriff schützen müßte, fügte er schnell und treuherzig hinzu: »Er ist ein wirklich guter Apotheker, der Willi Bendler …«
    Eine scharfe Unmutsfalte zuckte für einen Augenblick über die Stirne Knackfuß'.
    »Er ist ein Frevler gegen Ordnung und Moral. Ich wünsche keine Worte mehr darüber! – Sie nehmen an?«
    »Ja.«
    »Rückwirkend auf den 1. Dezember.«
    »Wie Sie wünschen, Herr Prinzipal.«
    »Sie ziehen damit auch aus Ihrer Kammer und bewohnen ein neues Zimmer im zweiten Stockwerk.«
    Otto Heinrich zuckte auf. Er sollte von Bendler getrennt werden, von ihm, der sich an ihn klammerte in seiner Sehnsucht nach einem Menschen und der in seinem nagenden Haß auf das Bürgertum auch für Otto Heinrich unbewußt zur Stütze seiner Hoffnungen wurde? Getrennt von einem Freund, der einen Menschen in dieser Einsamkeit brauchte, vor dem er sich ausschreien konnte und der mit ihm empfand, daß draußen sich das Leben täglich änderte und formte, daß Geister revoltieren und neue Werte aus der Urkraft in die Völker strömten und daß sie hier in dieser bürgerlichen Stille, in diesem engen Kreis verstaubter Etiketten zu Mumien und Puppen ohne eigenen Willen wurden!
    »Ich bitte, in der Kammer bleiben zu dürfen«, sagte Otto Heinrich leise, aber fest. »Ich habe einen Freund gefunden, den ich nicht verlassen möchte.«
    Mit einem kurzen, scharfen Ruck seines vertrocknet wirkenden Kopfes blickte der Apotheker zu dem Jüngling empor.
    »Es geht nicht um Freundschaften«, antwortete er hart, während durch die Haut seines Gesichtes ein gelber Schimmer flog. »Es geht um die Distance. Was wäre das Leben ohne Ehrfurcht?! Was wäre die Ehrfurcht ohne das Bewußtsein des menschlichen Unterschiedes?! – Was reden wir! Meine Tochter richtet das Zimmer bereits her!«
    »Eine Freundschaft überwindet den Dünkel eines Standes. Die Herzen finden sich nicht in der Enge der Klassen, sondern in der Weite der Erkenntnis vom Wert des Menschen. – Ich muß die Jungfer Trudel bitten, ihre Bemühungen einzustellen und meinen Dank zu nehmen.«
    Das Gesicht des Apothekers wurde kantig. Nervös zuckten die Wimpern über den starren Augen. Und plötzlich schlug er mit der Faust auf den Tisch und schrie:
    »In welchem Tone sprechen Sie mit mir!? – Sie beziehen das Zimmer! Kein Wort mehr! In meinem Hause, über das Gesinde und die Angestellten bin ich der Herr!«
    »Sie mögen es sein«, sagte der Jüngling mit ruhiger, aber in der zurückgedrängten Erregung gepreßter Stimme. »Sie vergessen aber, daß ich keine Anlagen besitze, ein Sklave zu sein. Ich habe ein Eigenleben, das ich mit allen Mitteln verteidige, ich habe ein Recht, über mich selbst zu verfügen, ich habe auch die Kraft, meine Wünsche an das Leben durchzusetzen. Ich liebe die Freiheit des Geistes und der Person.« Und mit lauter Stimme schrie er dem zurückprallenden Knackfuß ins Gesicht: »Die Freiheit aber ist das letzte, was Sie mir stehlen können.«
    Schwer atmend standen sich die Männer gegenüber.
    Eine Welt lag zwischen ihnen.
    »Ich werde Ihrem Vater schreiben«, zischte der Prinzipal durch die aufeinandergepreßten Lippen, die wie ein Strich sein Gesicht durchschnitten. »Ich werde Sie züchtigen lassen, bis Sie sich bei mir entschuldigen. – Gehen Sie! Ich will Sie heute nicht in meinem Hause sehen! Das andere findet sich …«
    Mit einer scharfen Wendung drehte sich Otto Heinrich um und ging

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