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Das einzige Kind

Das einzige Kind

Titel: Das einzige Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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Lampenschirm auf den Boden fiel und zersplitterte. Er lutschte an seinen blutigen Fingern herum und starrte verängstigt das Telefon an.
    Aber es gab keine Ruhe. Es schien nur immer noch lauter zu werden. Mit einem Ruck riß er den Hörer von der Gabel.
    »Hallo!«
    »Hallo, Terje. Hier ist Maren. Tut mir leid, daß ich so spät anrufe.«
    »Macht doch nichts«, sagte er rasch und sah auf seinem Nachttischwecker, daß der nächste Morgen nur noch drei Stunden entfernt war.
    »Terje, ich muß es wissen.«
    »Was denn wissen?«
    »Du weißt schon, was ich meine.«
    Er setzte sich auf und zupfte an seinem schweißnassen T-Shirt.
    »Nein, das weiß ich ganz und gar nicht.«
    Schweigen.
    »Hatte Agnes es entdeckt?« fragte sie endlich. »Hat sie deshalb diese plötzliche Kollegenberatung angesetzt?«
    Er schluckte so laut, daß es durch das Telefon zu hören war.
    »Nein. Sie hatte es nicht entdeckt.«
    So schrecklich auch alles war, immerhin war er glücklich, weil sie ihn nicht sehen konnte.
    »Terje, nicht böse sein.«
    »Ich bin nicht böse.«
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    »Dann sag es mir.«
    »Was soll ich dir sagen?«
    »Hast du sie umgebracht?«
    »Nein, Maren. Das habe ich nicht. Ich habe sie nicht umgebracht.«
    Sein Rücken quälte ihn mehr denn je.
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    »Sieh dir das an! Sieh dir das an!«
    Billy T. platzte, ohne anzuklopfen, in das spärlich eingerichtete Büro der Hauptkommissarin. Er zeigte zitternd hinunter auf den Åkebergvei, wo zwei in Mäntel gekleidete Männer in ein wildes Handgemenge verwickelt waren. Ein Volvo hatte seine Schnauze unverschämt weit in den Hintern eines Toyota Corolla neuesten Typs gebohrt.
    »Es hat einfach peng gemacht, und schon sprang der erste aus der Karre und zog den anderen Heini aus seiner, ohne auch nur guten Tag zu sagen. Ich setze einen Hunderter auf den Volvo.«
    »Wem gehört denn der Volvo«, fragte Hanne ziemlich gleichgültig, aber immerhin war sie jetzt aufgestanden und neben dem aufgeregten und glücklichen Billy T. ans Fenster getreten.
    »Dem im helleren Mantel. Dem Großen.«
    »Ich setze nicht dagegen«, sagte Hanne, als der Große im helleren Mantel dem Toyota-Besitzer eine perfekte Rechte verpaßte. Der Toyota-Besitzer taumelte rückwärts, verlor das Gleichgewicht und ging zu Boden.
    »Reine Notwehr«, brüllte Billy T. »Der Toyota hat
    angefangen!«
    Als der Toyota-Besitzer versuchte, wieder auf die Füße zu kommen, kamen zwei uniformierte Polizisten angerannt. Sie trugen weder Mütze noch Jacke, sicher hatten sie die Szene auch von irgendeinem Fenster aus beobachtet.
    »Typisch Bullen«, sagte Billy T. gereizt. »Müssen einem auch jeden Spaß verderben!«
    Er blieb noch eine Minute stehen, um den weiteren Verlauf der Dinge zu beobachten, aber natürlich streckten die beiden 60
    Kämpfer angesichts der Uniformen sofort die Waffen. Die Polizisten konnten die Lage offenbar beruhigen und machten sich überraschend schnell an das Ausfüllen von Formularen.
    »Das Leben bringt eben große und kleine Freuden«, sagte Billy T. und nahm seiner Chefin gegenüber Platz. »Nur bei dieser Kinderheimgeschichte will es uns offenbar nicht gerade verwöhnen.«
    »Technische Spuren: eine Million. Davon brauchbar: keine.«
    Eine Riesenfaust legte sich über die Zigarettenpackung auf Hanne Wilhelmsens Tisch.
    »Ich habe dir doch gesagt, daß du damit aufhören sollst«, sagte er. »Das bringt dich noch um, Wuschel.«
    »Du, das kriege ich zu Hause oft genug zu hören. Hier auch noch dieses Gequengel, das ertrage ich nicht«, sagte sie mit überraschend scharfer Stimme.
    Billy T. ließ sich davon nicht abschrecken.
    »Cecilie ist schon eine tolle Frau. Die weiß, was für ihre Liebste gut ist. Ist ja nicht umsonst Ärztin.«
    Hanne Wilhemsens Gesicht verdüsterte sich, sie sprang auf und schloß die halboffene Tür zum Flur. Billy T. nutzte die Gelegenheit, um die Zigarettenpackung, in der noch mindestens zehn Zigaretten steckten, zusammenzuquetschen. Dann warf er sie in den Papierkorb.
    »Siehst du. Eine Packung Sargnägel weniger«, erklärte er zufrieden.
    Sie wurde wütender, als er erwartet hatte.
    »Hör zu, Billy T. Du bist mein Freund. Von Freunden lassen wir uns viel gefallen. Aber eins verlange ich: Respekt. Vor der Tatsache, daß ich nicht über mein Privatleben sprechen will, wenn andere uns hören können, und vor meinem Privatbesitz.
    Du kannst gern herumquengeln, daß ich zuviel rauche, ich weiß, 61
    du willst nur mein Bestes. Aber laß meinen Kram in Frieden, zum Henker!

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