Das einzige Kind
still. Mit acht Jahren schon besoffen. Aber er ist ja auch erblich belastet.
Sie behaupten, daß sie nicht glauben, daß er es war, der Agnes ermordet hat. Aber das behaupten sie nur. Diese Polizistin war zwar nicht unsympathisch, aber ich weiß doch, mit wem ich es zu tun habe. Sie reden und reden, und am Ende machen sie etwas ganz anderes.
Ich weiß, daß er es nicht war. Ich weiß, daß ich ihn verstecken muß. Aber wie lange halte ich das durch?
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7
»Wie oft soll ich Ihnen noch sagen, daß dies ein routinemäßiges Verhör ist?«
Billy T. war sichtlich gereizt. Ihm gegenüber auf der anderen Seite des Schreibtischs saß ein großer, kräftiger Mann von dreiundfünfzig und benahm sich wie ein Rotzbengel.
»Das ist doch Ihre Telefonnummer, oder nicht?«
Er schwenkte eine Plastiktüte mit Druckverschluß, in der ein gelber Zettel steckte.
Der Mann gab noch immer keine Antwort.
»Herrgott, Mann, brauchen Sie eine offizielle Vorladung, oder was? Wäre das vielleicht in Ihrem Interesse? Ich weiß doch, daß das Ihre Nummer ist. Können Sie meine Frage also nicht einfach beantworten? Es kann doch unmöglich so gefährlich sein, uns etwas zu sagen, das wir ohnehin schon wissen?«
»Warum fragen Sie denn, wenn Sie es schon wissen?«
murmelte der Mann mißmutig. »Ich brauche nichts weiter zu sagen als meinen Namen und meine Adresse. Ich begreife wirklich nicht, was ich hier überhaupt soll.«
Billy T. beschloß, daß es nun Zeit für eine Pause sei. Seine Geduld neigte sich rapide dem Ende entgegen, und aus bitter erkaufter Erfahrung wußte er, daß es sich lohnte, bis hundert zu zählen. Und zwar in einem anderen Zimmer. Er befahl dem Mann, sitzen zu bleiben, und vergewisserte sich, daß nichts herumlag, was der andere nicht sehen durfte. Dann schob er zwei Ordner in eine Schublade, schloß sie ab und verschwand.
»O verdammt, Hanne, dieser Liebhaber bringt mich noch um.
Der will keine einzige Frage beantworten. Macht sich doch nur verdächtig damit!«
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Er ließ sich auf Hannes Schreibtisch fallen, rieb sich den Schädel und zupfte sich an der Nase.
»Wissen wir denn, ob sie wirklich etwas miteinander hatten?«
»Erstens«, sagte Billy T. und zählte an den Fingern ab,
»erstens hat er seinen Arbeitskollegen etwas von einer neuen Bekannten erzählt. Er verkauft Autos. Zweitens hat er denselben Kollegen gesagt, er hätte sich Geld zusammengevögelt. Drittens ist er gerade umgezogen. Er hat eine neue Telefonnummer, deshalb hatte sie sie sich aufgeschrieben. Viertens ist seine Nummer die letzte, die Agnes in ihrem Leben gewählt hat.«
»Woher weißt du das?«
»Ganz einfach, ich habe auf den Wiederholungsknopf an ihrem Apparat gedrückt. Die letzte Nummer. Die von diesem Trottel!«
Er schlug neben sich mit der Faust auf den Tisch.
»Fünftens, ihr Mann hat erzählt, wie zerstreut und gereizt sie in den letzten Monaten gewesen ist.«
»Das sind nicht gerade schlagende Beweise«, sagte Hanne.
»Nein, das weiß ich auch. Aber warum erzählt dieser Trottel mir nicht, was Sache war? Dann bräuchte ich mir nichts mehr zusammenzureimen. Ich höre mir wirklich alles an, ich finde es schon schwer genug, mir Agnes Vestavik in den Armen eines fetten Autohändlers mit Halbglatze vorzustellen! Diese fromme Kleinbürgerin!«
»Schon wieder Vorurteile und vorgefaßte Meinungen, Billy T.
Fromme Menschen haben dieselben Triebe wie du und ich. Du mußt einfach weiter versuchen, den Typen anzuzapfen.« Sie stupste mit beiden Händen gegen seinen Rücken. »Und jetzt raus hier, ich muß arbeiten. Und außerdem: Wenn die ein Verhältnis hatten, warum in aller Welt hätte er sie dann umbringen sollen? Dann hätte er doch den Ast abgesägt, auf dem er selbst saß.«
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»Sicher«, murmelte Billy T. und stampfte zu dem mürrischen Autohändler zurück.
»Haben Sie sich die Sache überlegt? Wollen Sie jetzt ein bißchen kooperativer sein?«
»Sie haben gut reden«, rief der Mann wütend. »Da taucht die Polizei an meinem Arbeitsplatz auf, fragt und bohrt und bringt mich in eine reichlich peinliche Lage, zerrt mich mitten in der Arbeitszeit zum Verhör und wirft mir Mord und Totschlag und noch Schlimmeres vor!«
Billy T. lächelte nicht einmal.
»Habe ich Ihnen auch nur mit einem Wort einen Mord vorgeworfen?«
Der Mann starrte auf den Boden. Jetzt konnte Billy T. in dem breiten, maskulinen Gesicht einen Hauch von Unsicherheit ahnen.
»Hören Sie«, sagte er nun mit fast freundlicher Stimme.
»Bisher sage
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