Das Ekel von Säffle
Millimeter Walther und lag an ihrem Platz in einer verschlossenen Schublade des Schreibtischs. Auch die Magazine lagen dort, wo sie hingehörten, in einem anderen verschlossenen Fach im zweiten Zimmer. Er schob eines in die Pistole und stopfte das andere in die rechte Tasche des Jacketts. Dagegen mußte er fünf Minuten suchen, ehe er sein Schulterhalfter schließlich in einem unordentlichen Haufen alter Schlipse und abgetragener Pullover in einem Fach im Kleiderschrank fand.
Unten auf der Straße stand der geschwätzige Fahrer an seinen Wagen gelehnt und summte fröhlich vor sich hin. Hilfsbereit hielt er die Tür auf, setzte sich hinters Lenkrad und hatte schon den Mund geöffnet, um seinen Faden wieder aufzugreifen, als Martin Beck ihm zuvorkam:
»Kungsholmsgatan 37, bitte.«
»Aber das ist ja…«
»Die Kriminalpolizei, richtig. Fahren Sie bitte über Skeppsbron.« Dem Chauffeur stieg die Schamröte ins Gesicht, und auf dem ganzen Weg gab er keinen Ton mehr von sich.
Und dafür konnte man ihm dankbar sein, fand Martin Beck. Trotz alldem liebte er diese Stadt, und gerade an dieser Stelle und um diese Tageszeit war sie vielleicht am schönsten. Die Morgensonne schien auf Strömmen, die Verbindung zwischen Mälarsee und Ostsee, die glänzende Wasserfläche lag ruhig da und verriet nichts von dem widerlichen Schmutz, der sich leider darunter verbarg. In seiner Jugend, ja auch noch viel später, hatte man hier baden können.
Ziemlich weit draußen am Kai von Stadsgärden lag ein alter Frachtdampfer mit hohem, geradem Schornstein und einer schwarz lackierten Spiere auf dem Hauptmast. So etwas sah man heutzutage sehr selten. Eine frühe Fähre nach Djurgärden überquerte das Wasser und schob eine kleine Bugwelle vor sich her. Er bemerkte, daß der Schornstein ganz schwarz war und man den Namen mit weißer Farbe überstrichen hatte. Aber er erkannte das Boot trotzdem. Djurgärden 5.
Vor dem Polizeigebäude fragte der Taxifahrer mit halberstickter Stimme: »Brauchen Sie eine Quittung?«
»Ja, bitte.« Martin Beck ging hinauf in die Räume seiner Abteilung, blätterte einige Papiere durch, telefonierte ein paarmal und setzte sich schließlich an seinen Schreibtisch.
Nach einer Stunde lag eine kurzgefaßte und ziemlich oberflächliche Beschreibung des Werdegangs eines Menschen vor ihm. Die fing so an:
Stig Oscar Emil Nyman.
Geboren: 6. November 1911 in Säffle.
Eltern: Flößereivorarbeiter Oscar Abraham Nyman und Karin Maria Nyman, geborene Rutgersson, Schulbildung: Vier Jahre Volksschule in Säffle, fünf Jahre Realschule in Ämal.
Berufssoldat bei der Infanterie ab 1928, Unteroffiziersanwärter 1930, Unteroffizier 1931, Feldwebel.
Danach trat Stig Oscar Emil Nyman in den Polizeidienst. Begann als Dorfpolizist in Värmland, dann einfacher Konstapel in Stockholm. Das war während der Wirtschaftskrise in den dreißiger Jahren. Die beim Militär erworbenen Kenntnisse wurden ihm angerechnet, und dadurch wurde er schnell befördert.
Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs war er wieder eingezogen worden, wurde befördert und bekam verschiedene nicht näher beschriebene Spezialaufgaben. In den letzten Kriegsjahren war er nach Karlsborg kommandiert worden, kam aber 1946 zur Reserve-Armee und tauchte ein Jahr später wieder im Personalverzeichnis der Stockholmer Polizei auf, jetzt als Oberkonstapel.
Als Martin Beck im Jahre 1949 die Kurse für den gehobenen Dienst auf der Polizeischule absolvierte, war Nyman schon stellvertretender Kommissar und einige Jahre später erhielt er seinen ersten eigenen Distrikt.
Als Kommissar hatte Nyman den verschiedenen Revieren in der Innenstadt unterschiedlich lange vorgestanden. Eine Zeitlang hatte er im alten Polizeihauptquartier in Agnegatan gesessen , auch dort mit Spezialaufgaben betraut.
Während des größten Teils seiner Dienstzeit hatte er die Uniform getragen, gehörte aber trotzdem zu jenen Beamten, die bei der obersten Leitung in gutem Ansehen standen.
Es lag nur an mißlichen Umständen, daß er nicht weiter befördert und Chef der gesamten Kommunalen Ordnungspolizei geworden war. Welchen Umständen?
Martin Beck wußte die Antwort auf diese Frage.
Gegen Ende der fünfziger Jahre war das Stockholmer Polizeikorps in Bewegung geraten. Neue Männer waren an die Spitze getreten, und es wehte ein frischer Wind. Militärisches Denken war nicht mehr so gefragt wie früher, und reaktionäre Vorstellungen wurden nicht mehr selbstverständlich als Verdienst angerechnet. Diese
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