Das Ekel von Säffle
Mieter in Fredrikshovsgatan zu verhören und dort herumzuschnüffeln. An einem normalen Tag hätte vielleicht niemand bemerkt, daß er seinen Posten verlassen hatte, aber zufällig fand gerade an diesem Nachmittag die erste richtige Demonstration vor der Botschaft statt. Zwei Tage vorher hatten die USA Nord-Vietnam überfallen und die gesamte Küste mit Bomben belegt, und nun hatten sich einige hundert Menschen zu einem Protestmarsch gegen diesen Angriffskrieg versammelt. Da niemand mit einer Demonstration gerechnet hatte, wurde das eigene Sicherheitspersonal der Botschaft völlig überrascht, und da unser Freund Eriksson nicht an seinem Platz war, dauerte es eine ganze Weile, ehe die Polizei überhaupt auftauchte. Die Demonstration war friedlich, die Leute bildeten Sprechchöre und standen mit ihren Plakaten herum, während eine Abordnung hineinging und dem Botschafter einen Protestbrief überreichte. Aber wie ihr wißt war die Schutzpolizei damals nicht auf Demonstrationen vorbereitet und benahm sich wie bei Krawallen üblich und daraus wurde ein ziemlicher Tumult. Die Leute wurden haufenweise auf die Polizeiwachen geschleppt und nicht wenige von ihnen übel zugerichtet. Alle Schuld wurde auf Ake Eriksson geschoben, und weil er mutwillig gegen die Disziplin verstoßen hatte, wurde er unmittelbar danach vom Dienst freigestellt und erhielt wenige Tage später seine Entlassungspapiere. Ab Äke Eriksson.« Melander stand auf. »Und ab Fredrik Melander«, fuhr er fort. »Das Mittagessen möchte ich nicht verpassen. Ich hab überhaupt keine Lust, heute noch zu arbeiten. Wenn ihr mich unbedingt braucht, wißt ihr ja, wo ich zu erreichen bin.« Er steckte Tabaksbeutel und Pfeife ein und zog sich den Mantel über. Martin Beck setzte sich auf seinen Stuhl.
»Glaubt ihr wirklich, daß dieser Eriksson Nyman erstochen hat?« Melander blieb in der Tür stehen, Rönn zuckte die Achseln, und Martin Beck schwieg ebenfalls.
»Ich finde, das hört sich unwahrscheinlich an. Wenn er so was hätte tun wollen, dann doch vor zehn Jahren, als seine Frau gestorben war. So lange halten Rache und Haßgefühle selten an. Ihr seid auf der falschen Spur. Trotzdem viel Glück. Hej.« Er ging hinaus.
Rönn blickte zu Martin Beck und sagte: »Tja, wahrscheinlich hat er recht.« Martin Beck blätterte abwesend in den Akten, die auf dem Tisch vor ihm lagen, dann sagte er:
»Melander hat doch etwas von den Eltern erwähnt. Vielleicht wohnen die noch da, wo sie vor zehn Jahren gewohnt haben.« Er fing an, zielbewußter in dem Stapel von Papieren zu blättern. Rönn sah ihm schweigend und ohne großes Interesse zu. Schließlich fand Martin Beck, was er gesucht hatte.
»Hier ist die Adresse. Gamla Södertäljevägen in Segeltorp.« Der Wagen war ein schwarzer Chrysler mit weißen Kotflügeln und zwei blauen Lampen auf dem Dach. So als ob das noch nicht ausreichte, war auf der Motorhaube, der Kofferraumklappe und beiden Seitentüren in großen, deutlich lesbaren weißen Buchstaben das Wort POLIZEI geschrieben.
Obwohl das Kennzeichen mit einem B begann, und das Auto demzufolge zum Bezirk Stockholm-Land gehörte, fuhr es jetzt in voller Fahrt bei Norrtull über die Stockholmer Stadtgrenze. Von Uppsalavägen kommend, entfernte es sich immer mehr von der Polizeiwache Solna.
Der Streifenwagen war neu und so ausgerüstet, daß allen Anforderungen der modernen Zeit Genüge getan war, nur daß all die technischen Finessen die Leistung der Besatzung nicht wesentlich verbessern konnten. Sie bestand aus den Polizisten Karl Kristiansson und Kurt Kvant, zwei stattlichen blonden Männern aus Skäne, deren Abenteuer und Schicksal als Streifenbeamte nun bald zwölf Jahre lang dauerten und einige erfolgreiche und eine große Zahl mißlungener Einsätze umfaßten.
Gerade jetzt waren sie wieder auf dem besten Wege, in Schwierigkeiten zu geraten.
Vier Minuten zuvor hatte sich Kristiansson nämlich genötigt gesehen, Röven festzunehmen. Weder ein unglücklicher Zufall noch übertriebener Eifer waren der Anlaß für dieses Mißgeschick. Ganz im Gegenteil, die Ursache war eine offensichtlich beabsichtigte und rücksichtslose Provokation.
Es hatte damit angefangen, daß Kvant bei dem Zeitungskiosk am Haga-Terminal bremste und anhielt. Dann zog er seine Brieftasche heraus, borgte Kristiansson einen Zehn-Kronen-Schein und dieser stieg aus dem Wagen.
Kristiansson war ständig blank, das lag daran, daß er sein ganzes Geld für Fußballwetten ausgab. Nur zwei Personen
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