Das Ekel von Säffle
als sie das Haus, in dem er vorher gewohnt hat, abgerissen haben. Damals hat er besser verdient, da hat er wohl geglaubt, daß er es schafft. Aber die Wohnungsangelegenheit war nicht so wichtig, das Schlimmste war ganz klar die Sache mit dem Mädchen.«
»Das mit dem Jugendamt möchte ich gern etwas genauer wissen«, bat Martin Beck. »Die nehmen einem Vater doch nicht ohne weiteres das Kind weg.«
»Nein?«
»Es wird jedenfalls behauptet, daß vorher genaue Untersuchungen angestellt werden.«
»Das mag sein. Da war auch einer da und hat mit mir und meiner Frau gesprochen und sich das Haus angesehen und alle möglichen Fragen über Äke gestellt. Äke ist nicht besonders heiter, nicht nachdem Marja gestorben war, das verstehen Sie vielleicht. Die sagten, daß seine depressive Art, daß er immer so trübselig ist, sich nachteilig auf die Psyche des Kindes auswirken würde; ich erinnere mich, daß sie das so gesagt haben, die müssen sich ja immer so vornehm ausdrücken. Und daß seine verschiedenen Arbeitsstellen mit unregelmäßigen Arbeitszeiten nicht gut wären. Na ja, und dann hatte er es ja finanziell nicht leicht, konnte die Miete nicht bezahlen, und dann waren da `n paar Nachbarn in dem Haus, die haben sich bei der Jugendbehörde beklagt, daß er Malin so oft nachts allein ließ und daß sie nichts Richtiges zu essen kriegt und so.«
»Wissen Sie, mit wem das Jugendamt noch gesprochen hat?«
»Mit seinen Arbeitgebern. Ich glaube, die haben versucht, alle Chefs aufzutreiben, bei denen Äke beschäftigt gewesen ist.«
»Seine Vorgesetzten bei der Polizei auch?«
»Aber sicher. Der Chef war wohl der wichtigste, könnte ich mir denken.«
»Und er hat offenbar keine besonders gute Beurteilung abgegeben?« fragte Martin Beck.
»Nein. Äke sagte, daß der schon damals, als die Behörde vor ungefähr einem Jahr anfing, seinen Fall zu bearbeiten, eine Art Begutachtung geschrieben hätte, die ihm alle Chancen kaputtgemacht hätte, das Kind zu behalten. «
»Wissen Sie, wer diese Beurteilung abgegeben hat?«
»Ja. Das war dieser Kommissar Nyman, der auch Äkes Frau liegen und sterben ließ, ohne einen Finger zu rühren.« Martin Beck und Rönn wechselten einen schnellen Blick.
Fru Eriksson sah erst zu ihrem Mann, dann zu ihnen, ängstlich, wie sie auf die neuen Anschuldigungen ihres Mannes reagieren würden. Denn jetzt wurde ja ein Kollege beschuldigt. Sie reichte den Kuchenteller über den Tisch, erst zu Rönn, der sich rasch ein großes Stück Zuckerkuchen nahm, dann zu Martin Beck, der den Kopf schüttelte.
»Hat Ihr Sohn über Kommissar Nyman gesprochen, als er gestern abend hier war?«
»Er sagte nur, daß es dessen Schuld wäre, daß sie Malin weggeholt haben. Weiter nichts. Er war nie sehr gesprächig, unser Äke, aber gestern war er einsilbiger als sonst. Oder nicht, Karin?«
»Ja«, bestätigte die Frau und schob die Krümel auf ihrem Teller hin und her.
»Was hat er hier gestern abend gemacht?«
»Er hat mit uns Abendbrot gegessen. Dann haben wir eine Weile ferngesehen. Danach ist er rauf in sein Zimmer, und wir haben uns hingelegt.« Martin Beck war aufgefallen, daß das Telefon draußen im Flur stand. Er fragte: »Hat er irgendwann im Laufe des Abends telefoniert?«
»Warum wollen Sie das alles wissen? Hat Äke was angestellt?«
»Ich muß Sie bitten, so freundlich zu sein und zuerst unsere Fragen zu beantworten. Hat er von hier aus gestern abend telefoniert?« Das Paar ihm gegenüber saß einen Augenblick schweigend da. Dann antwortete der Mann:
»Vielleicht. Ich weiß nicht. Äke kann das Telefon benutzen, wann er will.«
»Sie haben also nicht gehört, daß er telefoniert hat?«
»Nein. Wir saßen vor dem Fernseher. Ich kann mich erinnern, daß et hinausging und die Tür hinter sich zumachte, und das tut er nicht, wenn er nur aufs Klo geht. Das Telefon steht in der Diele, und wenn der Fernseher an ist, macht man am besten die Tür zu, wenn man nicht gestört werden will. Wir hören auch nicht mehr so gut, da stellen wir den Ton ziemlich laut.«
»Wann ist das denn gewesen? Als er telefonierte, meine ich?«
»Das weiß ich wirklich nicht. Aber wir haben einen Spielfilm gesehen, und es war mitten im Film. Vielleicht um neun rum. Warum wollen Sie das wissen?« Martin Beck antwortete nicht. Rönn hatte den Zuckerkuchen in sich hineingestopft und sagte plötzlich:
»Ihr Sohn war doch ein sehr ausgezeichneter Schütze, wenn ich mich richtig erinnere. Damals einer der besten im
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