Das Elbmonster (German Edition)
unverzüglich eine dafür geeignete Organisation, und zwar so oder ähnlich, wie ich sie vorhin grob umriss!“, ruft er mit unverkennbarer Beseeltheit von seiner Idee mutig in den Saal und fügt ebenso anstachelnd sofort hinzu:
„Lasst uns doch das Himmelreich möglichst schon auf Erden errichten, wie es bereits einer unserer größten Schriftsteller und Publizisten im neunzehnten Jahrhundert forderte!“
Damit bezog er sich absichtlich auf Heinrich Heine (1797 bis 1856), dessen weltanschauliches Credo wir in seiner umfangreichen Versdichtung „Deutschland. Ein Wintermärchen“ finden (1844, Caput I). Im eigenen Vaterlande ward der berühmte Literat wegen seiner spitzen Feder und demgemäß ungeschminkten Kritik (Sarkasmen) an den herrschenden Zuständen allerdings eher verfemt als geliebt. Und so lebte er ab 1831 in Paris. Wäre unsere heutige (staatliche und kirchliche) Obrigkeit ihm gegenüber wesentlich toleranter als es die damalige vermochte? Heine war übrigens auch mit Karl Marx befreundet. Den Rest können wir uns sicherlich denken.
Wieder hin zum aktuellen Geschehen im Meißner Stadttheater!
Des Redners beinahe unglaublicher Enthusiasmus fasziniert die Anwesenden derart, dass sie sich zum wiederholten Male allesamt spontan von ihren Plätzen erheben, um ihm abermals dankend mit einem tosenden Beifall zu überschütten. Nicht wenige von ihnen haben infolge der aufrichtigen Rührung unversehens Tränen in den Augen. Am liebsten würden sie vor lauter Ergriffenheit ihr erkorenes Idol sofort warmherzig und fest umarmen, damit sie ihm eine noch größere persönliche Huldigung erweisen könnten.
Selbstredend gehöre auch ich zu denjenigen, die dem begnadeten Referenten besonders zugetan sind. Gleichwohl spuken in meinem Kopfe spornstreichs gewisse Bedenken hinsichtlich der Realisierbarkeit seines durchaus reizvollen Vorschlages, weil nach meiner bisherigen Erfahrung jedwede Parteimitgliedschaft stets Engstirnigkeit befördert, anstatt sie zu mindern. Das gilt überall, bis hin zu den höchsten Ebenen. Dort erst recht. Man braucht doch nur gezielt ins Alltagsgeschehen hineinzuschauen, um diese Aussage mannigfach bestätigt zu erhalten. Und die Praxis ist nun einmal das entscheidende Kriterium der Wahrheit. Allein wenn wir uns die jüngsten schriftlichen oder mündlichen Äußerungen und sonstige Gebärden von einigen unserer hochrangigen Politiker vergegenwärtigen (auf Namen verzichte ich hier absichtlich!), wird sich schnell finden, dass es sich dabei überwiegend um machtbessene, intolerante Parteifanatiker handelt. Als stünden sie nicht gemeinsam in der heiligen Pflicht, durch Kompromissbereitschaft vereint für das Gemeinwohl des Volkes zu sorgen, üben sie sich fortwährend im Scheingefecht des gegenseitigen Zerfleischens. Weil dem generell so ist, habe ich ergo meine ernsthaften Zweifel daran, ob des ehrwürdigen Redners kühne Empfehlung, die ja fraglos von tiefem Humanismus geprägt ist, überhaupt jemals verwirklicht werden kann. Sie bleibt wohl eher ein schöner Traum.
In Parteien und anderen großen Organisationen müsste das eherne Gesetz lauten: Freiheit der Diskussion, Einheit des Handelns. Aber damit sind die meisten offenbar arg überfordert. Stattdessen begegnen wir fortwährend ideologieverbrämten Fanatikern, die nur ihre eigene Meinung gelten lassen und sonst nichts. Die personifizierte Verkörperung solchen Verhaltens findet man bei allen blindwütigen Eiferern. Ganz erfüllt von der Richtigkeit ihrer persönlichen Gesinnung, zeigen sie keinerlei Toleranz gegenüber Andersdenkenden. Und so wettern sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit auf Teufel komm raus auf alle, die partout nicht ihrer Auffassung sind, namentlich auf exponierte Funktionäre der Linken.
Selbstverständlich verkünden auch Sarah Wagenknecht, Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und weitere Spitzenkräfte ihrer Gesinnung hin und wieder haarsträubenden Blödsinn. Wer ist schon völlig dagegen gefeit? Trotzdem sind sie einigen Widersachern teilweise eindeutig überlegen (und das nicht nur rhetorisch).
Gleichwohl erweisen sich manche Christdemokraten letztlich als die Stärkeren, weil die meisten Wirtschaftsbosse und Kirchenoberen hinter ihnen stehen. Und wer sich mit solchen Mächten verbündet, hat zuweilen mehr vom Leben, solange ihn keinerlei ethische Skrupel plagen. Aber Moral und Politik sind ohnehin recht selten Verbündete.
So läuft das nun einmal während unserer Erdentage. Ausschlaggebend ist,
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