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Das Elbmonster (German Edition)

Das Elbmonster (German Edition)

Titel: Das Elbmonster (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerner, Károly
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warum der gute August mit allerlei „Heldentaten“ geschmückt wurde und immer noch mit solchen versehen wird, obwohl er doch schon allein wegen seiner schweren Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) nun wahrlich kein kolossaler Sexualprotz sein konnte. Auch das lässt sich leicht erklären, und zwar wie folgt: Im Sprachgebrauch des Barock und Rokoko galt die Zahl 365 als Synonym für die Aussage „sehr viele“ (worauf übrigens auch der Mythos von den mutmaßlich 365 Fenstern eines Schlosses zurückzuführen ist). Eine andere Bewandtnis hat das nicht. Gleichwohl halten sich entsprechende Legenden über Generationen hinweg. Sie lassen sich offenbar besser verkaufen als die Wahrheit. Auch das ist nicht ungewöhnlich. Dem sagenumwobenen Dschingis Khan wird sogar nachgesagt, er habe nicht selten in nur einer Nacht bis zu sieben Nachkommen gezeugt und keine Frau hätte ihm jemals ihre frivole Zuneigung verwehrt.
    Wow! Oder doch eher keine Bewunderung? Roger! Wir vernehmen die Worte und verbannen deren Inhalt ebenfalls hurtig ins Reich der Erdichtung.
    Quintessenz: Lobpreisen wir nach eigenem Gutdünken den August, oder wie unsere Idole auch immer heißen mögen, ihrer bleibenden Verdienste wegen, die fraglos auszuweisen sind, aber vergöttern wir sie nicht! Und Punkt!
     
    Demzufolge wieder stracks zu unserem Redner im Festsaal des Stadttheaters, wo er beim Aufzählen berühmter Persönlichkeiten gerade wörtlich hinzufügt:
    „Ferner wäre der Begründer der klassischen Homöopathie zu nennen: Samuel Friedrich Hahnemann (1755 bis 1843), der ein spezielles Heilverfahren entwickelte, welches seither vielerorts gefragt ist und heute mehr denn je eigens deshalb zahlreiche Interessenten nach Meißen zieht, besonders zur dafür bekannten Klosterruine ,Heilig Kreuz‘. Wir sollten den beabsichtigten Feierlichkeiten zum 250. Geburtstag des berühmten Mannes im Jahre 2005 schon jetzt erwartungsvoll entgegensehen, denn bestimmt kommen namhafte Vertreter seiner Lehre aus aller Welt zu uns, um die außergewöhnlichen Verdienste des großen Sohnes unserer Stadt zu würdigen und dabei natürlich auch ihre eigenen Erfahrungen auszutauschen.“
    Zwischenbemerkung: Abel sollte recht behalten, denn es ward ein fulminantes Ereignis von beachtlicher Tragweite.
     
    Doch lauschen wir bitte nochmals andächtig dem Redner!
    Der Vortragende macht seine achtsamen Hörer noch auf weitere Errungenschaften aus früheren Zeiten aufmerksam, die hier ihre Wiege haben und ebenfalls von überregionaler Bedeutung waren oder noch sind. Als heimatliebender Bürger dürfe man doch mit dem Gefühl echter Freude und einer gewissen Portion Selbstbewusstsein gerne kundtun, welche Impulse von unserer Stadt ausgingen. Er nennt unter anderem die ehemals fürstliche Landesschule „Saint Afra“, eröffnet 1543, wo auch Lessing studierte (heute Elitegymnasium). Auch die im Jahre 1799 gegründete „Sächsische Weinbaugesellschaft“ wäre die erste ihrer Art in Europa gewesen. Und schon bald darauf (1811) sei bei uns die erste europäische Weinbau- und Winzerschule ins Leben gerufen worden. Nicht zuletzt könne man auch mit gesundem Stolz auf unsere überaus prächtige „Albrechtsburg“ zeigen, denn sie verkörpere immerhin den ersten Schlossbau im deutschsprachigen Raum. Ebenso erwähnenswert sei das erste Porzellanglockenspiel der Welt, welches 1929 im Turmobergeschoss unserer geschichtsträchtigen Frauenkirche eingebaut und jetzt wieder neu gestimmt wurde, damit man sich auch künftig an ihren faszinierenden Wohlklängen erfreuen könne.
     
    Abel führt noch eine Reihe anderer Schrittmacherleistungen ins Feld, deren Wiege ebenso auf hiesigem Terrain zu finden ist. Sogar die deutsche Nationalsprache habe einen Großteil ihrer Wurzeln in unserem Raum, nachdem Martin Luther die Meißnische Kanzleischrift als Basis für seine Bibelübersetzung nutzte, weil damals das Mitteldeutsche als „vornehme Sprache“ galt und selbst an den Universitäten vorherrschte, sofern nicht Latein gesprochen wurde. Schließlich ermuntert Abel mit geradezu brennender Leidenschaft die aufmerksamen Zuhörer selbst zu neuen Wegbereitern, diesmal jedoch auf politischer Ebene, indem er sagt:
    „Bei so viel Glanz und Herrlichkeit in unserer einzigartigen Stadt müsste es doch auch zu schaffen sein, dass eigens von ihr schon bald ein Impuls ausgeht, der endlich die furchtbar verkrusteten Strukturen in und zwischen den verschiedenen Parteien Deutschlands aufbricht. Also gründen wir

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