Das Elbmonster (German Edition)
Regierungen auch kein böswilliger Zungenschlag. Sie widerspiegelt vielmehr einen objektiven Sachverhalt, mit dem wir ja allesamt so oder so täglich zurechtkommen müssen und teilweise sicherlich auch gerne wollen.
Unser persönliches Urteil über jeweilige Gegebenheiten oder Absichten hängt eben stets davon ab, wovon wir selbst gerade betroffen sind und auf welcher Seite der „Barrikade“ wir uns demnach befinden. Insofern gibt es kein Monopol auf Wahrheit.
Infolgedessen dürfte es niemanden wundern, wenn zum Beispiel Hans-Olaf Henkel, bekanntlich ein leidenschaftlicher Vertreter des (modernen) Kapitalismus, unter anderem in seiner Dresdner Rede vom 15. Februar 2004 abermals folgende Position betonte: „Das Gut der Freiheit müssen wir in den Vordergrund rücken; wir haben keinen Nachholbedarf bei Gleichheit.“ Dabei empfand er die Worte Demokratie, Menschenrechte und Marktwirtschaft als „sympathisches Dreieck“, und er scheute sich nicht einmal zu behaupten, dass „heute in Korea eine lupenreine Demokratie“ herrsche. Nun ja, seinen Wünschen gemäß mag das durchaus zutreffen. Dabei verschwieg er geflissentlich, dass Gewerkschafter nach einem Streik dort schneller in einem Gefängnis landen, als wir uns das schlechthin vorstellen.
Noch haben wir humanere Verhältnisse. Gleichwohl sind und bleiben sie kein Geschenk. Sie müssen ständig neu errungen und verteidigt werden.
Der gute Hans-Olaf Henkel rief während seines genannten Vortrages auch mit innerlich bewegter Stimme: „Die Globalisierung bringt die Freiheit um die Welt!“ Und wenn die angestrebten Handelszonen sich nicht aus eigenem Antrieb öffnen, so müssen sie geknackt werden, notfalls mit Waffengewalt, füge ich besorgt hinzu. Man braucht sich doch nur die jüngsten Kriege zu vergegenwärtigen, um dies sofort bestätigt zu bekommen.
Dennoch liegt es mir außerordentlich fern, dem genannten Referenten etwa zu unterstellen, er führe Bosheit im Schilde. Eher bin ich geneigt, ihm mit hoher Achtung zu begegnen. Es handelt sich immerhin um einen ausnehmend klugen, fleißigen und erfolgreichen Mann, eine durchaus rechtschaffene und vertrauenswürdige Persönlichkeit, wenngleich im Denken und Tun mit den üblichen Schablonen der Bourgeoisie behaftet. Von seinem Standesdünkel kommt er einfach nicht los. Aber das ist zu ertragen.
Auch Joachim Gauck, an dessen unbescholtenen Absichten vermutlich ebenfalls kaum jemand ernsthaft zweifeln dürfte, betonte im selben Hause, dass für ihn die Freiheit die höchste Errungenschaft sei, welche die Bürger der einstigen DDR durch die Wende erkämpften und nun genössen.
Was immer der ehemalige Pfarrer sowie „Stasibeauftragte“ und jetzige Bundespräsident auch darunter verstehen mag (der Begriff wird unterschiedlich definiert), mit Blick auf die vielen Menschen, die seither auch von ihren Arbeitsplätzen teils gewaltsam befreit (!) worden sind, bleibt mir jedweder Freudenschrei darüber buchstäblich im Halse stecken. Wir sollten uns eher nicht dem trügerischen Glauben hingeben, die anschließende soziale Abfederung, deren Wert ja niemand bestreitet, könne jemals ein wirklicher Ausgleich für eigene schöpferische Tätigkeit sein. Wer einer solch wesentlichen Lebensbestimmung wie Arbeit beraubt wird, weil die aktuellen gesellschaftlichen Verhältnisse das nicht nur ermöglichen, sondern oftmals direkt erfordern, der schluckt eine äußert bittere Pille, die ihm jedoch nicht hilft. Und das ist regelrecht tragisch. Doch handelt es sich dabei tatsächlich um anscheinend unabwendbare Schicksalsschläge?
Es ist sicherlich bemerkenswert, wenn viele multinationale Konzerne und ihre Apologeten danach streben, eine Art grenzenlose Welt zu schaffen, in der alle Menschen, falls nicht unbedingt Brüder, so doch wenigstens gleichberechtigte Konsumenten sind. Allein das wäre für sie der Idealzustand. Indessen wird die Wahrscheinlichkeit gerne verdrängt, dass Millionen Erdenkinder, welche dereinst angeblich von Zwang und Beschränkung unabhängig sein werden, auch von der erforderlichen Kaufkraft frei bleiben, weil deren unverblümte Offenbarung einem Störfaktor entspräche.
Die weitere Globalisierung des Wirtschaftslebens lässt sich nicht aufhalten. Das ist ein gesetzmäßiger Prozess. Aber gegen unlautere Methoden und schmerzhafte Auswüchse gibt es ein probates Mittel, nämlich den effektiven Zusammenschluss und ebenso beherzten Widerstand aller progressiven Kräfte, die man gottlob in jeder sozialen
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