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Das Elbmonster (German Edition)

Das Elbmonster (German Edition)

Titel: Das Elbmonster (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerner, Károly
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Dezember 2008 offen preisgibt).
    Hierauf befällt mich postwendend folgender Argwohn: Entweder er war damals nicht aufrichtig, spielte mit gezinkten Karten, oder er gaukelt uns heute etwas vor. Das eine wäre moralisch ebenso verwerflich wie das andere. Sicher, die neuen Machthaber haben ihm eine Strafe aufgebrummt. Dennoch halte ich es im hohen Maße für unwahrscheinlich, er wäre infolge des relativ kurzzeitigen Freiheitsentzuges schon derart gewandelt. Oder sollten wir einfach zur Kenntnis nehmen, dass es sich auch bei ihm um einen Politiker handelt, deren Kaste ethische Grundsätze nicht unbedingt wesenseigen sind?
    Allein wenn wir dem mutmaßlich geläuterten Herrn Schabowski in die Augen schauen (siehe ebenda), bedarf es keines tiefschürfenden Kommentars. Und da er mittlerweile bereits sein achtzigstes Geburtsjubiläum hinter sich hat, will ich ihn hier eh nicht weiter behelligen. Möge er seinen Lebensabend noch lange in Frieden genießen!
    Dessen ungeachtet vermag ich selbst mit festem Willen nicht nachzuvollziehen, wie es bestimmte Leute schaffen, ihre Gesinnung so mir nichts, dir nichts über Bord zu werfen, gleichsam, als hätte sie urplötzlich eine gottgesandte Inspiration getroffen. Möglicherweise bin ich generell viel zu ehrlich und demzufolge oftmals „der Dumme“, wie es Ulrich Wickert in einer Publikation treffend ausdrückt. Aber ich kann und will überhaupt gar nicht anders, auch wenn ich mir vereinzelt eigens deshalb den rechten Zeigerfinger mit dem Ausruf „Blödian!“ an meine Stirn drücke, was indessen nicht heißen soll, ich wäre am Ende auf Mitleid erpicht. Nein, das garantiert nicht. Eher sonne ich mein Gemüt bisweilen mit Selbstlob, statt mich unentwegt zu kasteien.
     
    Ja, für die Idee vom humanen Sozialismus konnte ich mich bereits als Jugendlicher begeistern (meine Leser wissen das schon). Demzufolge wollte ich auch während ihrer praktischen Umsetzung nicht abseitsstehen, habe mich also überwiegend gern eingesetzt. Mein diesbezügliches Engagement blieb indessen aufgrund von Westverwandtschaft und gelegentlichem Aufmucken stets nur auf die untere Ebene beschränkt. Den einschlägigen Dogmatikern sei Dank, sage ich zutiefst erleichtert im Nachhinein (was sich übrigens als ein typisches Beispiel dafür werten lässt, dass uns auf der Lebenswanderung bei Weitem nicht alles zum Nachteil gereichen muss, obwohl wir es in Einzelfällen zunächst so oder ähnlich empfinden).
    Zweifellos ging vieles von unseren einstigen Träumen schief, wurde nicht realisiert oder wirkte anders als ursprünglich beabsichtigt, teils sogar direkt entgegengesetzt. Das ist wahr und in keiner Weise zu beschönigen, auch wenn es mich sowie viele andere nach wie vor arg bedrückt. Und natürlich habe ich derweil auch einiges dazugelernt. Aber deshalb gleich meinen einstigen Idealen rigoros abschwören? Wer das problemlos kann, soll es tun! Ich hingegen werde mein Fähnchen wegen eventueller Vorteile nicht bedenkenlos nach dem Wind drehen, solange ich von der Richtigkeit bestimmter Gegebenheiten nicht ausreichend überzeugt bin. Mein Verhalten soll schließlich nicht dem eines Chamäleons gleichen, welches die Fähigkeit besitzt, seine äußere Hautfarbe zu wechseln und sich somit der Umwelt anzupassen.
    Da mir Hurraschreier und Duckmäuser schon früher als ziemlich dubios erschienen (was freilich einer persönlichen Karriere eher schadet als nützt, und ich weiß, wovon ich spreche), werde ich mich auch künftig gemäß meiner jeweiligen Kenntnis und weltanschaulichen Position in die aktuellen Geschehnisse beherzt und dazu möglichst friedfertig einbringen.
     
    Mithin, ehrenwerter Gerechtigkeitsapostel Vaatz, es ist eben nicht so, dass nur die anderen bestimmte Teile von unliebsamen Geschehnissen „systematisch ausblenden“. Sie und weitere schwärmerische Befürworter der neuen Ordnung tun das Gleiche, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Dazu flugs ein symptomatisches Beispiel: Hat man jemals von irgendeinem Apologeten des freien Unternehmertums eine deutliche Kritik am mehr als fragwürdigen Vorgehen der Treuhandanstalt und der von ihr beauftragten „Abwickler“ vernommen? Stattdessen hören oder lesen wir von offizieller Seite fast ausschließlich Lobeshymnen.
    Die Wirklichkeit spricht jedoch eine andere Sprache: Was in den 90er Jahren mit Ostdeutschlands Wirtschaft geschah, war nämlich ein gezieltes Plattmachen ihrer materiellen Grundlagen. So wurden funktionierende Betriebe vorsätzlich

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