Das Elbmonster (German Edition)
darunter der bedeutendste Weimarer. Doch des potenziellen Irrtums wegen stillschweigend dahinvegetieren, ist gewiss kein guter Ratschlag und war auch nicht Goethes Forderung. Demnach müssen wir auch künftig couragiert unseren Verstand gebrauchen. Sonst befinden wir uns schon bald auf der Ebene jener miesen Typen, die als Emporkömmlinge und Speichellecker ihr widerwärtiges Dasein fristen, gleichsam, wenn Marionetten ihre selbstsüchtige Verbindung nach oben suchen und zwangsläufig auch haben.
Werden diese schnöden Schachfiguren jemals aus unserem Alltag ganz verschwinden? Meine Hoffnung darauf ist zwar äußerst gering, trotzdem bin ich selbst bei erheblich wichtigeren Fragen kein Vertreter etwa von resignierenden Klageliedern. Vielmehr entspricht es meiner festen Überzeugung, dass die meisten Menschen durchaus gewillt und gemeinsam auch in der Lage sind, die jeweils anstehenden Probleme überwiegend zukunftsträchtig zu lösen. Im Selbstlauf vollzieht sich das allerdings nicht. Dagegen richtet sich nämlich schlichtweg unsere vertraute Trägheit. Insofern sind wir gehalten, uns immer wieder wechselseitig anzustacheln, damit die Springquellen menschlichen Wohlbefindens reichlich fließen und allen zugutekommen, obzwar verdientermaßen in unterschiedlichen Größenordnungen. Auch wer sich vornehmlich auf der Seite der Armen und Schwachen wähnt, muss ja noch lange nicht das Wort der Gleichmacherei reden. Das wäre töricht, weil ungerecht.
Als besonders schlimm empfinde ich, wenn bestimmte Persönlichkeiten infolge von Dummheit oder Arroganz die unterschiedlichen Altersgruppen aufeinanderhetzen.
Hierzu gleich ein symptomatisches Beispiel: Im April 2008 drängte es den Ex-Bundespräsidenten Roman Herzog wieder einmal ins Rampenlicht medialer Aufmerksamkeit. Dabei alarmierte er die Nation lauthals wegen der potenziellen Gefahr einer angeblich drohenden „Rentnerdemokratie“, wo mit Sicherheit „die Älteren die Jüngeren ausplündern“ würden.
Meine Entgegnung: Es mag durchaus zutreffen, dass er und Leute seinesgleichen angesichts ihrer unerhört hohen Pensionsansprüche schon jetzt und nicht erst in grauer Zukunft die zwei nachfolgenden Generationen skrupellos berauben. Die selbstgerechten „Eliten“ (Auslese der Besten?) von Politik und Wirtschaft haben ja beizeiten regsam dafür gesorgt, dass ihnen fortwährend üppig gefüllte Futterkrippen bevorzugt zustehen. Wenn jedoch das ehemalige Staatsoberhaupt daraus völlig undifferenziert auf alle Senioren der Republik schließt, so ist das schlichtweg verlogen, falls nicht gar eine absichtliche Provokation. Nicht wenige Ruheständler können sich nämlich mit ihrer kargen Altersversorgung kaum noch einigermaßen tugendhaft über Wasser halten, obwohl sie jahrzehntelang fleißig arbeiteten und entsprechend in die Rentenkassen einzahlten. Sonach dürfte die besorgte Frage legitim sein, wie weit sich der Mann mittlerweile vom realen Alltag der „einfachen Menschen“ entfernt hat, sofern er ihnen überhaupt jemals besonders zugetan war. Und er steht mit seiner befremdlichen Meinung keineswegs allein auf weiter Flur, findet vollauf Sympathisanten. Auslöser des niveaulosen Grolls war die geplante Rentenerhöhung um gut ein Prozent zum Juli 2008. Obzwar es sich um Almosen handelte, weil damit selbst die Inflationsrate nicht ausgeglichen wurde, krakeelten Herzog und Co., als stünde der Weltuntergang unmittelbar bevor.
Genau darin sehe ich den eigentlichen Skandal im gepriesenen Germanien aktueller Prägung, dass eine teils parasitäre Oberschicht den ohnehin sozial Benachteiligten, die es wiederum in jeder Altersgruppe gibt, nicht einmal das Wenige zum Leben gönnt und sie obendrein noch verhöhnt. Was hat eine derart frevelhafte Sichtweise noch mit solidarischem Befinden zu tun? Sie ist im hohen Maße inhuman und stinkt förmlich zum Himmel! Und das brave Volk schaut reglos zu. Es wurde früher brutal ausgebeutet und wird auch heute perfide geschröpft. Nur die Methoden haben sich verfeinert.
Anmerkung: Roman Herzog wurde am 14. Januar 2011 in der Dresdner Semperoper „für seine überragenden Verdienste“ mit dem St. Georgs Orden ausgezeichnet.
Im Übrigen wird es in Deutschland ganz bestimmt keine „Rentnerdemokratie“ gemäß dubioser Weissagung des fragwürdigen Rebellen geben, denn sofern der inzwischen bereits mehrfach heraufbeschworene Generationskonflikt dereinst tatsächlich ausbricht und dramatische Formen annimmt, was freilich
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