Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Elbmonster (German Edition)

Das Elbmonster (German Edition)

Titel: Das Elbmonster (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerner, Károly
Vom Netzwerk:
brachte, um die Menschen für den Raub des Feuers durch Prometheus mit Leiden und Krankheiten zu bestrafen. Doch falls auch künftig sämtliche Warnungen (Kassandras) grundsätzlich überhört werden, dürfte es uns nicht wundern, wenn Pandora abermals das ihr mitgegebenes Gefäß (eine Büchse) öffnet und die Sterblichen dereinst noch härter maßregeln wird als je zuvor geschehen.
    Sicher, Rat nimmt meist nur derjenige bereitwillig an, der selbst einen inneren Leidensdruck verspürt. Aber muss es denn unbedingt erst dazu kommen? Sehen wir nicht (wie ehemals Kassandra), die unheildrohenden Zustände und Prozesse im geliebten Vaterlande, Auswüchse, die teilweise schon zum Himmel schreien? Es ist doch nun wahrlich nicht mehr zu leugnen, dass hinter der schillernden Fassade unserer lauthals gepriesenen Demokratie die skandalöse Bildungsmisere, massenhafte Kurzarbeit und steigende Kriminalität, der allgemeine Werteverfall sowie die überaus gefährliche Zunahme der sozialen Schieflage zwischen Arm und Reich eindeutige Krankheitszeichen sind, Symptome potenzieller Konflikte, die unaufhaltsam eintreten, falls wir nicht beizeiten gegensteuern. Und nicht wenige der außer Lohn und Brot geworfenen Mitbürger verkommen doch augenscheinlich zu menschlichen Wracks, weil man sie der Würde beraubte, ihren Lebensunterhalt auf redlichem Wege zu sichern. Ist es nicht geradezu hanebüchen, dass die Löhne während der letzten acht Jahre bei uns nur um etwa fünf Prozent stiegen, die Unternehmens- und Vermögenseinkommen hingegen einen Zuwachs von zweiundvierzig Prozent verzeichnen? Solche Zahlen sind doch sehr aussagekräftig. Oder etwa nicht?
     
    Diese und manch andere negative Gegebenheiten sowie Tendenzen innerhalb unserer Gesellschaft bleiben zweifellos problematisch, doch das Allerschlimmste ist die totale Deformierung des deutschen Lebensbaumes. Hatte er vor dem Ersten Weltkrieg (1913) noch die harmonische Pyramidenform einer Edeltanne, so gleicht er heute eher einer vom Sturm zerzausten Gebirgskiefer. Seine beängstigende Missbildung ist sowohl den Folgen der beiden Weltkriege geschuldet wie auch dem steten Anstieg der Lebenserwartung und mehr denn je der extrem fatalen Nachwuchsmüdigkeit vieler Bundesbürger.
    Unser Lebensbaum, das weithin bekannte Sinnbild für die Altersschichtung der Bevölkerung, wird sich im Laufe der nächsten Jahrzehnte zur allegorischen Gestalt einer Säule verändern, was notgedrungen den Keim einer sozialen Katastrophe in sich birgt. Eine dermaßen bedenkliche Entwicklung vermag auch die noch so planvoll geregelte Immigration aus dem Ausland nicht entscheidend zu beeinflussen, ganz abgesehen von Bedrängnissen, welche dadurch mitunter noch obendrein verursacht werden.
     
    Einwurf: In punkto gezielter Abwerbung von ausländischen Fachkräften, namentlich der kreativen Köpfe, befällt uns offenbar keinerlei ethisches Bedenken etwa dahingehend, dass solcherlei Aktionen ihrem Wesen nach einen schädigenden Aderlass in den betreffenden Ländern bewirken und deren Lebensstandard gefährden. Schließlich tragen sie die Kosten der Ausbildung entsprechender Kapazitäten. Wir hingegen genießen die Früchte ihrer meist hoch qualifizierten Tätigkeit.
    Es ist eben so: Im Reigen der Bessergestellten fühlt man sich wohler als an der Seite der Armen, Schwachen und Kranken (von löblichen Ausnahmen einmal bewusst abgesehen). Ein solches Verhalten kennzeichnet den Homo sapiens seit ewigen Zeiten. Anscheinend ist ihm die absichtliche Übervorteilung anderer, auch ganzer Völker, denen Fortuna aus irgendwelchen Gründen seltener holdselig begegnet, geradezu wesenseigen, denn seine betrügerischen Machenschaften jedweder Couleur ziehen sich wie ein roter Faden durch sämtliche Epochen der Geschichte. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Nur die Methoden werden immer raffinierter, ein objektiver Sachverhalt, der sich nicht einmal hinter dem streng behüteten Gewande unserer notorischen Scheinheiligkeit völlig verbergen lässt.
    Die Abwanderung speziell von Wissenschaftlern ins Ausland nennt man passend Braindrain („Abfluss von Intelligenz“). Sie wird von den industriell fortgeschrittenen Staaten seit Langem erfolgreich praktiziert, insbesondere durch die USA.
     
    Übrigens hatten zu DDR-Zeiten nicht wenige Kommilitonen der höheren Semester, also schon, bevor sie überhaupt ihr Studium positiv abschlossen, bereits einen verbindlichen Einstellungsvertrag mit einer westdeutschen Firma in der Tasche.

Weitere Kostenlose Bücher