Das Elbmonster (German Edition)
erweisen, dürfte ebenso fragwürdig sein wie jedwede Anbetung von Personen, Gegenständen oder Sachverhalten.
Folgt man des großen Meisters Urteil hinsichtlich „Schönheit“, müssten ja entsprechende Autoritäten beispielsweise die Ergebnisse des Rokoko (etwa 1730 bis 1775) größtenteils verwerfen. Immerhin verschrieben sich zahlreiche Talente und deren Förderer während der Spätphase des europäischen Barocks hauptsächlich den geschweiften, verspielten und daher weitestgehend verschnörkelten Formen.
Und das Meißner Porzellan? Von modernen Gestaltungsvarianten abgesehen, wage ich gar nicht erst, tiefgründiger darüber nachzudenken. Umso erfreulicher die fortwährende Bestätigung, dass es dennoch weltweit außerordentlich gefragt ist. Daran wird sich auch künftig bestimmt nichts Wesentliches ändern. Man hofft es zumindest. Demzufolge können wir zuversichtlich davon ausgehen, dass die weithin berühmte Domstädter Manufaktur mit ihrer Veredelungskunst noch lange der altbewährten Tradition verpflichtet bleibt, ohne sich den jeweils aktuellen Anforderungen zu verschließen. Es ist übrigens noch gar nicht lange her, als wir den dreihundertsten Geburtstag dieser einzigartigen Produktionsstätte gemeinsam mit vielen Gästen feiern durften, nämlich im Jahre 2010.
Sofern meine jüngsten Darlegungen vorbehaltlos anerkannt werden, dürfte erneut unterstrichen sein, dass bei all unseren persönlichen Wertungen irgendwelcher Gegebenheiten in erster Linie Toleranz gefragt bleibt und keinerlei engstirniges Anspruchsdenken.
Schön ist, was allgemein gefällt, etwas, dessen Äußeres dem Betrachter sehr angenehm erscheint und deshalb in ihm ein spürbares Wohlgefühl auszulösen vermag. Hierüber hat meines Erachtens keine speziell geschulte Elite zu befinden, wie sich gelegentlich manche Wichtigtuer gerne selbst aufspielen. Dessen ungeachtet sind die einzelnen Auffassungen zur Ästhetik des Konkreten bekanntermaßen nicht nur unterschiedlich, sondern mitunter auch direkt entgegengesetzt. Dem einen gefällt die hochgezüchtete Edelrose in seinem Garten beträchtlich mehr als jene, die in der freien Natur ohne menschliches Zutun und daher ungezwungen gemäß ihrer Art gedeiht. Der andere wiederum erfreut sich an dieser in Feld und Wald oder am Wegesrand ebenso wie an der einfachen Wiesenblume.
Entgegen dem zeitnahen landestypischen Ideal, wie es uns namentlich durch die Medien vermittelt wird, kann auch das furchenreiche Gesicht eines älteren Menschen ausnehmend schön sein, wenigstens äußerst interessant, denn es zeugt beeindruckend von den Spuren des Lebens. Ist es nicht geradezu ein Hochgenuss, in das durchgeistigte Antlitz beispielsweise von Kurt Masur zu blicken?
In der Partnerschaft freilich ist äußere Schönheit nicht das Wichtigste, weil Zuneigung und Liebe weder in den Augen entstehen noch dort bewahrt bleiben, sondern im Herzen und teilweise sicherlich auch im Verstand. Die Sinnesorgane übernehmen dabei die Vermittlerfunktion, mehr nicht.
Es ist schon ziemlich aufschlussreich zu sehen, wie in unserer sogenannten zivilisierten Welt verschiedene Schattenseiten des individuellen Daseinskampfes klarer denn je an die Oberfläche treten, darunter folgende:
Viele Ehefrauen haben den unbändigen Drang, ihre Männer im häuslichen Bereich zu versklaven oder wenigstens wie Leibeigene hörig zu machen. Und manchen gelingt das sogar, was sie allerdings niemals freiwillig und offen zugeben würden. Die Herren der Schöpfung sind natürlich um keinen Deut besser, denn auch sie trachten unentwegt danach, ihre zweite Hälfte widerspruchslos gefügig zu formen. Auch das verläuft zuweilen wunschgemäß. Und beide Formen des Geschlechterkampfes, wo ein inhaltlicher Unterschied ohnehin kaum zu finden ist, sind ihrem Wesen nach nichts anderes als der sinnfällige Ausdruck des urwüchsigen menschlichen Willens nach Alleinherrschaft, selbst in der kleinsten Zelle sozialen Lebens, wie sie die Ehe offenkundig verkörpert. Insofern befindet sich jedes Paar in einem ständigen Spannungsfeld zwischen Eigenständigkeit und Anpassung. Dabei ist es eine trügerische Illusion zu glauben, man könne jemals sämtliche Probleme in absoluter Übereinstimmung regeln. Ein solches Ergebnis würde auch den besonderen Reiz des Zusammenseins verlieren, denn Meinungsverschiedenheiten sind ja grundsätzlich positiv zu werten. Sie erweisen sich als eine wesentliche Triebkraft unserer Entwicklung.
Die Kunst besteht
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