Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Elbmonster (German Edition)

Das Elbmonster (German Edition)

Titel: Das Elbmonster (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerner, Károly
Vom Netzwerk:
Trauerprozesses, welcher durchaus mehrere Jahre andauern kann (in der Regel zwei bis drei). Und weil früher oder später nahezu jeder Mensch auf eine bestimmte Weise damit konfrontiert wird, will ich hier ein wenig näher darauf eingehen. Der Hauptgrund ist jedoch ein anderer: Darin finden wir nämlich zugleich den wichtigsten Schlüssel zum Verständnis meiner Kriminalgeschichte. Wir sollten also die nachstehenden Zeilen besonders aufmerksam verfolgen! Ansonsten wäre uns das zuweilen maßlos absonderliche Verhalten unseres rätselhaften Weggefährten weder emotional noch verstandesmäßig zugänglich, da uns die entscheidende Pforte streng versiegelt bliebe.
     
    Was gilt bislang als wissenschaftlich einigermaßen gesichert? Hinweis: Es handelt sich hier um eine ergänzende Betrachtung dessen, was wir bereits in einem vorausgegangenen Kapitel zum Thema „Suizide“ beleuchteten.
    Laut gängiger Verallgemeinerung wird der gesamte Zeitraum des jeweils individuellen Bewältigens von entsprechenden Problemen meist in vier Abschnitte eingeteilt, und zwar etwa dergestalt:
    Unmittelbar nach dem Verlust einer lieben Person will es der Betroffene oftmals gar nicht wahrhaben, dass der Abschied endgültig ist. Er wirkt wie betäubt oder versteinert und verspürt vorerst kaum psychische Drangsale. Das kann Stunden, Tage und nicht selten sogar Wochen dauern.
    In der zweiten Phase brechen wiederholt regelrecht chaotische Gemütswallungen auf und beherrschen im hohen Maße den Trauernden. Die verschiedenen Emotionen äußern sich in mannigfacher Hinsicht, zum Beispiel über deutlich spürbare Angst- und Schuldgefühle oder durch Unruhe und Schlaflosigkeit. Sie werden häufig auf einmal und ebenso kunterbunt erlebt. Nichts erscheint mehr geordnet. Ein wirres Durcheinander gewinnt Oberhand und dominiert für eine gewisse Weile.
    Danach folgt die eigentliche Aufarbeitung des leidvollen Geschehens, indem über verschiedene Erinnerungen allmählich das Substanzielle (Gutes und Schlechtes) der verlorenen Beziehung klar hervortritt.
    Schließlich wird der schmerzliche Verlust akzeptiert, und man versöhnt sich wieder mit dem Schicksal, wodurch sich vielfach neue Wege öffnen.
     
    So weit die absichtlich kurz gefasste Generalisierung. In Einzelfällen gibt es natürlich Abweichungen, die mitunter erheblich sein können, vor allem, wenn der Betroffene einen echten Trauerprozess gar nicht erst zulässt, ihn quasi bewusst unterdrückt oder einfach nicht in der Lage ist, sich selbst zu helfen (besonders Kinder und Jugendliche).
     
    Falls in einer derart prekären Situation auch von außen kein seelischer Beistand kommt, kann es im künftigen Leben des Betroffenen äußerst problematisch werden. Seine Kümmernisse erscheinen auf unbestimmte Zeit gewissermaßen wie eingefroren. Aber sie können irgendwann in Form übermächtiger Schuldgefühle oder als bittere Enttäuschung und ohnmächtige Wut respektive vereinzelt auch in Gestalt unwägbarer Rachegelüste jählings aufbrechen, deren potenziellen Folgen kaum berechenbar sind.
     
    Nach meiner Beobachtung empfinden gerade jene Individuen, die traumatisiert bleiben, weil ihr Schicksalsschlag nicht oder nur unzureichend bewältigt wurde, beinahe sämtliche Kränkungen und Nachteile, die ihnen andere zufügten, egal, ob vorsätzlich oder ungewollt, als besonders stark und nachhaltig belastend, manchmal sogar über Jahrzehnte hinweg. Selbst Lappalien können sie nicht verzeihen, geschweige denn vergessen. Sie legen buchstäblich alles auf die Goldwaage und interpretieren das jeweilige Ungemach gemäß ihrem Gutdünken. Wenn es dann ihren persönlichen Kodex von Recht und Ehre all zu sehr verletzt, trachten sie unentwegt nach Vergeltung, ganz im Sinne einer ebenso fragwürdigen wie verruchten Selbstjustiz. Dabei suchen und finden sie zuweilen Mittel und Methoden, die unsereins glattweg den Atem stocken lassen. Ihr unerbittlicher Drang nach dem egozentrischen Befreiungsschlag kennt keine Grenzen. Und wehe dem, der arglos in ihre Fänge gerät! Haben sie ihr potenzielles Opfer erst einmal sicher im Visier, gibt es danach kein Entrinnen mehr. Es hat keinerlei Chancen, der „Strafe“ zu entgehen.
    Das werde ich später anhand konkreter Ereignisse noch hinreichend verdeutlichen. Versprochen!
    Kurzes Fazit: Der Mensch ist sicherlich das gütigste, jedoch mitunter auch das bestialischste Geschöpf von allem, was auf Gottes Erde kreucht und fleucht. Ob sich das jemals grundlegend ändert? Selig, wer

Weitere Kostenlose Bücher