Das Elbmonster (German Edition)
plagen mich inzwischen hinsichtlich des politischen Zeitgeistes, den ich, wie schon erwähnt, aufgrund der strikten Weisung durch Anonymus in diesem Buch unbedingt einzufangen habe, auch wenn es damit kaum den gängigen Mustern von Spannungsliteratur entspricht.
Doch ehe ich mich steinigen lasse oder gar schon bald das nächste Opfer äußerst mysteriöser Art in Meißen sein werde, löse ich tunlichst das bittere Versprechen ein, welches ich ihm gegenüber aus purer Angst um mein nacktes Überleben am zweiten Juni 2011 gegeben habe.
Jener Tag, zugleich von „Christi Himmelfahrt“ geprägt, bleibt für mich zeitlebens unauslöschlich. Und weil es sich dabei fürwahr nicht um eine kleinliche Bagatelle oder etwa ein von mir ausgebrütetes Fantasiegebilde handelt, sehe ich mich pausenlos gezwungen, der tragischen Verpflichtung nachzukommen, um sie gemäß meiner psychischen und physischen Kräfte einst doch noch annähernd getreu zu erfüllen. Wie meine verehrte Leserschaft das auch immer empfinden und werten mag, ich muss so verfahren, koste es, was es wolle.
Die verheißene Gänsehaut steht uns also noch bevor. Sie wird all denjenigen mehrfach eiskalt über den Rücken laufen und sie vor Grauen schaudern lassen, die gewillt und in der Lage sind, diese unübliche Lektüre durchzuhalten. Da bin ich mir absolut sicher, denn bislang trafen wir uns vereinzelt lediglich im Dunstkreis oder auf dem Vorhof der Hölle. Ihren entsetzlichen Schlund haben wir noch nicht gesichtet. Und es kommt weit schlimmer!
Das verspreche ich abermals, zwar ungern, weil mir der tiefere Einblick in menschliche Abgründe weiß Gott keinerlei Vergnügen bereitet, so doch mit Bestimmtheit, indem ich wiederhole: Die schier unfassbare Todesserie in meiner geliebten Heimatstadt findet zumindest auf europäischem Territorium nicht ihresgleichen. Sie ist beispiellos und wird hoffentlich auch niemals wieder irgendwo eintreten. Dafür entsteht auch dieses kapriziöse Buch mit seiner teils gewiss befremdlich anmutenden Doppelgleisigkeit von spektakulärem Kriminalgeschehen einerseits und den meist weithin bekannten Ereignissen sowie ihren Akteuren andererseits. Das ist eine wohl recht bizarre, aber mit furchtbarem Ungemach drohend erzwungene Verknüpfung. Sie erlaubt mir auch in sprachlicher Hinsicht keine einheitliche Vorgehensweise.
All das war mir von Beginn an klar, nämlich schon während jener denkwürdigen Heimsuchung durch meinen damals noch engsten Freund und langjährigen Weggefährten, unseren geheimnisvollen Wohltäter Abel und dessen ärgsten Widersacher Anonymus. Ergo tue ich seither, was ich kann, obgleich mir zuweilen mangels persönlicher Überzeugung der innere Trieb dafür fehlt, denn es war eine völlig unfreiwillige Zusage. Außerdem fühle ich mich bei einer derart extravaganten Obliegenheit manchmal regelrecht überfordert.
Doch was soll’s? Da hilft kein stilles Flehen, noch lautes Wehklagen und am wenigsten eine heimliche Selbstkasteiung. Wenn einem feigen Blödkopf, wie ich mich deshalb seit geraumer Zeit des Öfteren qualvoll und zugleich beschämend orte, einfach die notwendige Courage fehlt zu sagen:
„Jetzt ist aber Schluss mit dem gehorsamen Befolgen jener verdammten Weisung, endgültig aus und vorbei!“, der muss sich eben weiterhin damit abstrampeln, sie irgendwie zu bewältigen, und mag er dabei noch so sehr bestimmte Krisensituationen durchleiden.
Ja, ich gestehe unumwunden, dass ich mich ab und an über diese oder jene Sache gräme, doch am meisten ärgere ich mich über meine hasenfüßige Dummheit von damals, weil sie mir den Stempel einer furchtsamen Memme aufdrückte oder gar in meiner Seele brannte und mich seitdem ungeheuer belastet. Demgegenüber bin ich richtig stolz darauf, gelegentlich dennoch recht beherzt aufzutreten und eine kecke Lippe zu riskieren, insbesondere, sobald ich mich gesundheitlich einigermaßen auf sicherem Damm wähne.
Machen wir gleich die Probe aufs Exempel, indem wir flugs wieder zum bereits angerissenen Thema „kritische Zeitbezüge“ hinleiten! Das erfolgt in diesem Buch wahrscheinlich sowieso das letzte Mal, weil ich den restlichen Platz für spezielle Gegenstände benötige. Die Auswahl entsprechender Geschehnisse und Personen ist freilich stets subjektiv. Sie erscheint willkürlich, folgt aber dem vertrauten Grundsatz: „... man siehet die im Lichte, die im Dunkeln sieht man nicht.“ (Brecht: „Dreigroschenoper“).
Eröffnen wir sonach erneut den
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