Das Elbmonster (German Edition)
Ob das weitgehend normal ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Und wenn, wo zeigt sich die Grenze einer gelegentlich aufopfernden Hingabe, die uns nicht nur gefangen nimmt, sondern manchmal auch erbarmungslos in Fesseln schlägt? Sie wird sicher fließend sein, von konkreten Fällen sowie Personen abhängig und daher stets verschieden.
Ephrain Kishon (er verstarb mit 8o Jahren am 29. Januar 2005) äußerte sich in einem Interview zur Frage nach seinem Verhaltensmotto wie folgt: „Ich bin nicht bereit, unglücklich zu sein, um andere glücklich zu machen.“ Das kündet zumindest von einem aufschlussreichen Standpunkt, den ich durchaus teile, weil auch Selbstlosigkeit nicht unendlich sein darf. Etwas anderes ist es, hin und wieder persönliche Nachteile (sofern es denn tatsächlich welche sind?) in Kauf zu nehmen, um Bedürftigen zu helfen oder sie und weitere kurzerhand zu erfreuen. Aber das macht mich keineswegs unglücklich, im Gegenteil, es erhebt mich und beflügelt sogar meine Kräfte, denn ich tue Gutes. Schließlich wirkt jedwede nützliche Unterstützung echt Not leidender Menschen als eine besonders edle Stimulanz persönlichen Wohlbefindens.
Übrigens verriet Kishon, immerhin einer der erfolgreichsten Satiriker des 20. Jahrhunderts, während derselben Unterredung auch einige seiner vermeintlichen Schwächen, darunter sein ab und an starkes Verlangen nach ungarischer Salami, um den speziellen Appetit zu stillen. Da könne er einfach nicht widerstehen. Diesbezüglich geht es ihm offenbar kein bisschen anders als mir. Das hat wohl zuerst damit zu tun, dass wir beide im Lande der Magyaren zur Welt kamen. Allerdings beschleicht mich hierzu mit Blick auf den begnadeten Literaten die mutmaßlich etwas abwegige Frage, wie er denn als Mann jüdischen Glaubens und obendrein noch als Israeli mit dem Gebot der Schächtung zurechtkommt, wenn es ihn doch bisweilen zu den Ursprüngen seiner einstigen Speisen treibt. Nach traditionell jüdischem Ritus wird ja dem Schlachttier die Halsschlagader mit einem rasanten Schnitt durchtrennt und damit das völlige Ausbluten bewirkt, ohne die arme Kreatur vorher zu betäuben. Die Ungarn verfahren indessen seit Langem nicht mehr so (und wir erst recht nicht).
Aber das war letztlich sein Problem. Es geht mich streng genommen überhaupt nichts an. Daher sollte ich meine Neugierde, die vielleicht manchem Leser zuweilen arg seltsam begegnen mag, künftig wohl generell besser im Zaume halten. Oder?
Nebenbei bemerkt, die wegen ihres einzigartigen Geschmacks längst weltbekannte Salamispezialität der Magyaren reicht mit ihren anfänglichen Wurzeln bis nach Italien. Als nämlich im letzten Drittel des neunzehnten Jahrhunderts die „Gründerzeit“ auch in Ungarn triumphal einzog und sich die Schwingen des industriellen Fortschritts enthusiastisch bewegten, wurden Gastarbeiter ins Land geholt, darunter italienische. Diese brachten nicht nur ihre gefragten Fachkenntnisse mit, sondern auch originelle Essgewohnheiten und damit verbunden das Geheimnis ihrer Salamiproduktion, welches ihnen die Paprikaleute gezielt abluchsten. Seither nahm die edel gewürzte und über Buchenholz geräucherte Delikatesse einen grandiosen Siegeszug.
Und wie die schmeckt! Freilich sehr dünn geschnitten, langsam auf der Zunge zergehen lassen und nicht zu viel auf einmal. Ein Hochgenuss! Als exzellente Gaumenfreude das reinste Labsal für die Sinne. Iss davon dreimal wöchentlich jeweils zwölf sehr dünne Scheiben, und du wirst mindestens einhundert Jahre alt (falls du nicht früher stirbst)!
Ähnliches sagt man auch dem Bienenhonig nach: Nimm morgens ein bis zwei gehäufte Kaffeelöffel vom leckeren Naturstoff, und du kannst kurze Strecken fliegen (sofern du nicht auf die Nase fällst)! Oh ja, das geht, könnt ihr glauben, denn ich habe es selbst schon oftmals ausprobiert. Versucht es doch wenigstens einmal, und ihr werdet eure helle Freude daran haben! Hierzu vielleicht noch regelmäßig ein paar von den ebenso bekömmlichen Trockenpflaumen aus Kalifornien, und ihr fühlt euch fortan spürbar wohl, denn ihr tut bewusst etwas für eure Gesundheit.
Ach, sind das herrliche Seitenschlaufen am „roten Faden“ meiner teils sozialkritischen orientierten Erzählung! Solche Maschen gefallen mir. An ihren lustigen Kapriolen könnte ich mich fortwährend erfreuen. Aber das bleibt mir leider meist versagt, denn eine teuflische Pflicht drängt mich unnachsichtig in andere Richtungen.
Ernsthafte Bedenken
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