Das Elbmonster (German Edition)
sein, zu einem guten Ende bringen. Dessen bin ich mir vollkommen sicher“, meint die aufmunternde Stimme. Wie so oft bricht sie allmählich auch diesmal wieder meine dunklen Zweifel, und ich gehorche ihr erneut, wiewohl abermals nur für eine unbestimmte Zeit.
Notabene: Wenn ich hiermit nochmals mein Innerstes vertrauensvoll nach außen krempele, so hoffe ich sehr, dass sich meine Worte für jeden, der sie aufgeschlossen vernimmt, als nachvollziehbar erweisen und sich nicht allesamt bald schon in Schall und Rauch verflüchtigen, denn es handelt sich immerhin um die schonungslose Offenbarung meines derzeitigen Seelenzustandes. Freilich soll auch das kein Lamento darstellen!
Dieser psychische Zwiespalt dürfte in erster Linie der sozialen Isolation geschuldet sein, welche ich mir vorübergehend (?) aufbürden lies. Das ist nicht schlechthin ein gewöhnlicher Maulkorb, sondern eine geistige Zwangsjacke im buchstäblichen Sinne. Sobald man sich nämlich über einen höchst fraglichen Lebensabschnitt hinweg in bestimmter Hinsicht überhaupt niemandem mehr anvertrauen darf, wird es ungemein problematisch, kommt man sich vor wie auf eine unwegsame, obendrein menschenleere Insel verbannt, gleichsam, als ob jemand zur längeren Einzelhaft in einer dunklen Gefängniszelle verurteilt wäre. Wenn du über gewisse Anliegen, die dich furchtbar belasten, mit gar keinem mehr sprechen darfst, weder mit deinem geliebten Partner, noch mit den Kindern oder sonstigen Verwandten, Freunden und Bekannten und erst recht nicht mit fremden Leuten, dann hat dich das Schicksal regelrecht im Würgegriff.
Es gibt also vorerst keinerlei Rückäußerung zum Inhalt und Verlauf dieser Arbeit. Und daran wird sich demnächst leider auch nichts ändern. Das ist wahrlich ein teuflisches Spiel, welches fast schon an Schizophrenie grenzt. Aber der Spleen hat Methode. Mal schauen, wie lange ich ihn noch aushalte. Hier sehe ich zwei Möglichkeiten: Entweder ich werde infolge der aberwitzigen Strapazen eines schlimmen Tages wirklich lebensmüde, oder es gelingt mir, dem bestialischen Diktat unseres rätselhaften Anonymus wie bisher zu entsprechen, um schließlich seine absurde Instruktion doch noch halbwegs erfolgreich umzusetzen. Letzteres soll weiterhin mein Wegweiser bleiben.
Meine liebe Frau weiß natürlich, dass ich mich seit geraumer Zeit damit abplage, ein Buch zu schreiben, in dessen Handlungsmittelpunkt Verbrechen stehen, denn es soll ja ein Krimi werden (oder zumindest eine Art Sachlektüre über mysteriöse Vorkommnisse). Aber sie übt sich glücklicherweise in schier unendlicher Geduld und meint, sie wolle es erst lesen, wenn ich es fertiggestellt habe. Indessen wundert sie sich zunehmend darüber, wie sehr mich das konkrete Anliegen beansprucht, und fragt gelegentlich mit deutlich vernehmbarer Sorge, wie lange das noch dauere und ob ich nicht doch lieber schnellstens damit aufhören sollte.
Ähnlich verhält es sich mit unseren Kindern, die längst außer Haus sind und eigene Familien haben. Auch sie sind über das Vorhaben nur grob informiert und warten umso gespannter auf das Ergebnis.
Allein Silvia, meine großartige Stütze in schreibtechnischer Hinsicht, kennt bislang den ungewöhnlichen Zweck und Inhalt dieser Erzählung. Ihre diesbezügliche Verschwiegenheit ist geradezu bewunderungswürdig. Das muss freilich bis auf Weiteres auch so bleiben, sonst droht mir ein höchst grausames Schicksal, vielleicht sogar das plötzliche Ende meiner Erdentage. Doch auf ihre Diskretion kann man sich um jeden Preis verlassen.
Woher Abel (oder womöglich doch Anonymus in persona?) seine aktuellen Informationen zu meiner Gestalt bezieht, ist mir allerdings vollkommen schleierhaft. Zugegeben, manchmal befällt mich das dumpfe Gefühl, er geistere noch immer oder schon wieder in unserer geliebten Heimatstadt herum und beobachte mich andauernd heimlich, ob ich denn meiner Verpflichtung weisungsgerecht nachkäme, gleichsam einem Habicht, der sein potenzielles Opfer unentwegt im Auge behält, bevor er sich plötzlich todbringend darauf stürzt. Doch anscheinend handelt es sich dabei um ein heimtückisches Trugbild.
Oh, mein alter Herzensfreund und ehedem stets verlässlicher Wegbegleiter Abel, mir graut vor dir! Warum drängst du mich so unaufhaltsam in die abscheuliche Rolle des biblischen Kain, wie du es mir einst in früher Jugend prophezeitest? Wir sind doch überwiegend gemeinsam durch unzählige Höhen und Tiefen des Lebens
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