Das Elbmonster (German Edition)
verdächtig erschien. Demzufolge wollte er mir gleich einen Termin für die nächste Stanzbiopsie geben. Es wäre die dritte gewesen, was ich vorerst kategorisch ablehnte. Insgeheim befürchtete ich natürlich, es könne etwas Bösartiges sein. Und vor einer eventuell erforderlichen Operation war mir erst recht angst und bange. „Gut, wir sehen uns in einigen Monaten wieder!“, entgegnete mir der Spezialist fast beschwörend. Ach, hätte ich doch gleich auf ihn gehört!
Das Seltsame dabei war, dass ich früher keinerlei einschlägige Beschwerden verspürte, zumindest nicht körperlich (neuerdings allerdings psychisch, seitdem mir der aktuelle Sachverhalt vertraut ist). Ergo bin ich mit dem unerquicklichen Thema eher zufällig konfrontiert worden, und zwar infolge einer vorbeugenden Routineuntersuchung, obwohl in Deutschland fast jeder zweite Mann über fünfzig Jahre mit gleichen oder ähnlichen Problemen zu kämpfen hat (eigens deshalb äußere ich mich dazu öffentlich).
Ja: „Was nun?“, sprach Zarathrusta (Friedrich Nietzsches Werk „Also sprach Zarathrusta“ hat übrigens mit dem historischen Religionsstifter altiranischer Prägung nichts gemein). Oder war es vielleicht Zeus, der Ranghöchste in der griechischen Mythologie, welcher die obige Frage ursprünglich gestellt haben könnte? Auch Lenin verfasste eine Streitschrift unter ähnlichem Titel.
Doch all das ist mir jetzt ohnehin ziemlich egal, denn auf mich bezogen lautet die Antwort kurz entschlossen wie folgt:
Bevor ich mich völlig hilflos irgendwelchen Machtgelüsten der mehr oder weniger erfahrenen Handhaber chirurgischer Gerätschaften anvertraue und mich damit ihren Freuden- oder Trauergesängen aussetze (obwohl ich den Arztberuf generell als den höchsten von allen Professionen schätze!), befolge ich zunächst lieber einen Rat von Maria Treben, den sie uns in ihrem aufschlussreichen Buch „Gesundheit aus der Apotheke Gottes“ übermittelt.
Sie schreibt, das Kleinblütige Weidenröschen wäre hervorragend geeignet, Prostata-Komplikationen zu lindern oder gar zu beheben. Ist das bislang wissenschaftlich auch nicht hinreichend bewiesen, klammere ich mich vorerst doch an ihre Empfehlung und trinke seither täglich zwei Becher Tee vom entsprechenden Kraut, den ich gemäß ihren Hinweisen zubereite. An Wunder glaube ich zwar nicht, aber an der Heilkraft bestimmter Naturprodukte schon.
Mal sehen, ob ich damit dem heimtückischen Sensenonkel, der mir in diesem speziellen Falle womöglich mit einer bösartigen Krebsgeschwulst (Karzinom) oder gar schon mit deren Metastasen droht, nochmals ein Schnippchen schlagen kann, wohl wissend, dass er ungleich stärker ist als ich und eines Tages auch mir gegenüber keinerlei Erbarmen mehr zeigen wird.
Gewiss, es ist ein reichlich gewagtes Spiel, auf das ich mich bewusst mit ihm einlasse, jedoch nur, weil ich sein Todesurteil noch nicht als endgültig empfinde. Momentan spüre ich fraglos wieder recht deutlich seine schreckliche Nähe sowie die mit ihr verbundenen Unwägbarkeiten, nicht hingegen den sofort zwingenden Abschied von der kaum zu beschreibenden Schönheit unseres irdischen Daseins.
Auf einen großzügigen Beistand höherer Mächte darf ich gegenwärtig allerdings nicht hoffen, weil ich dem behütenden und gleichermaßen beengenden Schoss der Kirche schon mit vierzehn Jahren entglitt. Allenfalls könnte mir etwas Milde gewährt werden, zumal ich es nicht für vollkommen ausgeschlossen halte, dereinst wieder dorthin zurückzukehren. Heißt es nicht treffend, es wird mehr Freude sein über einen reuigen Sünder als über hundert Gerechte? Und mit steigendem Alter reizt es mich durchaus, anderen eine derartige Sternstunde zu bescheren, nicht zuletzt auch deshalb, um in gewisser Hinsicht möglicherweise selbst noch ein entzückendes Seelenheil zu erfahren. Die Zukunft ist allemal für jeden offen.
Unerklärlich bleibt mir indessen der frappante Tatbestand, dass unser rätselhafter Abel (oder ist es Anonymus?) über meine aktuelle Misslichkeit genauestens Bescheid weiß. Das geht aus einer schriftlichen Mitteilung hervor, die ich jüngst von ihm erhielt (natürlich ohne seinen jetzigen Aufenthaltsort zu verraten). Darin heißt es unter anderem, dass er wegen meiner erneuten gesundheitlichen Probleme die ehemals gewährte Schonfrist hinsichtlich der Fertigstellung dieses seltsamen Werkes bis Ostern 2013 verlängert. Sonach könne auch ich frohen Herzens das Fest der Auferstehung
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