Das Elbmonster (German Edition)
begehen, müsse aber jedwede Faschingsgelüste verbannen und mich ausschließlich seinem Auftrag widmen, damit ich endlich zum Abschluss käme. Jedenfalls werde er mir danach keinerlei Pardon mehr erteilen, egal, welche Ereignisse noch eintreten mögen, denn ich wisse ja selbst, was die Glocke schlug.
Auch der ursprünglich streng angewiesene Umfang von zweiunddreißig Kapiteln müsse nunmehr streng eingehalten werden, allenfalls noch mit einem angemessenem Vor- und Nachwort erweitert. Aber das sei jetzt das absolut verbindliche Ende der Fahnenstange. Mit weiteren Zugeständnissen seinerseits könne ich nicht mehr rechnen. Dennoch dürfte ich unter keinen Umständen etwas von dem vernachlässigen, was in der bisherigen Abhandlung schon auf irgendeiner Weise angedeutet worden ist. Jeder gedanklich begonnene Faden, und mag er noch so dünn oder gewagt sein, müsse wieder aufgenommen und bis zur endgültigen Klärung der mysteriösen Vorfälle in Meißen konsequent verfolgt werden. Ansonsten gnade mir Gott!
Das ist wahrlich eine ebenso bedrückende wie verheißungsvolle Nachricht.
Obwohl ich sie als sensationelle Neuigkeit mit verhaltener Genugtuung aufnehme, werde ich mich trotzdem nach allen Regeln der Kunst davor hüten, meiner Erzählung noch einen weiteren Abschnitt hinzuzufügen, um möglichst nicht denselben Fehler zu begehen wie Abel. Mit dem dreizehnten Opfer überschritt er ja anscheinend seine „heilige Zwölf“ und sonach die eigene Vorgabe, was ihm schließlich zum Verhängnis gereichte. Und wieder die Frage: War es nicht doch Anonymus?
Der Not gehorchend, bin ich eher geneigt, dieses und die noch folgenden Kapitel immens auszudehnen, um seine strikte Order doch irgendwie zu erfüllen, als etwa freiwillig in eine böse Falle zu tappen, indem ich wissentlich den zugewiesenen Rahmen sprenge. So komme ich vielleicht noch einmal mit einigermaßen heiler Haut davon und erspare mir unter Umständen das überaus dramatische Schicksal, welches Abel sich letztlich selbstverschuldet heraufbeschwor.
Er findet mit hundertprozentiger Gewissheit zeitlebens keine Ruhe mehr. Das will ich unter allen Umständen vermeiden, denn es wäre für mich die Inkarnation der finstersten Hölle, wie ich sie ja seit geraumer Zeit aus wiederholt genannten Gründen schon teilweise persönlich verspüre. Es kommt mir jedenfalls häufig genug so vor. Gleichwohl hoffe ich mehr denn je auf ein baldiges Ende meiner diesbezüglichen Marterqualen.
Diese werden hauptsächlich durch einen immer heftiger ausgetragenen Widerstreit von wenigstens zwei Seelen verursacht, die seit jenem denkwürdigen Tage in meiner Brust wohnen und sich unentwegt gegenseitig bekämpfen. Die eine fordert mich als mahnende Stimme permanent dazu auf, ich solle das „Wahnsinnsprojekt“, wie sie es treffend bezeichnet, endlich aufgeben. Es hätte überhaupt keinen Sinn weiterzumachen, weil ich den fast mörderischen Auftrag meines einstigen Freundes (oder Feindes?) sowieso nicht seinen Wünschen gemäß bewältigen könne. Damit sei ich total überfordert. Das müsse ich doch einsehen und mich zur nötigen Konsequenz durchringen. Allenfalls brächte ich ein mehr als dürftiges Pamphlet zustande, ein literarisches Stückwerk eben, das weder der ursprünglichen Absicht entspräche noch jemals öffentliches Interesse fände. Außerdem ginge ich sichtlich zugrunde, käme bald schon zur Asche, sofern ich mich wie bisher mit dem scheußlichen Gegenstand abplagte. Das könne ich mit absoluter Sicherheit gesundheitlich nicht mehr lange aushalten. Es sei einfach nicht mein Metier, entspräche in keiner Weise meinen Fähigkeiten. „Also: Schluss damit, aus und vorbei! Gib sofort auf! Die Zeit brennt!“, ruft besorgt und gleichermaßen nachhaltig warnend die eine Stimme.
Darauf folgen Stunden, Tage oder gar Wochen mit Depressionen, inneren Zerwürfnissen und gewissen Angstzuständen, die ihrerseits fürchterlich belastende, weil äußerst düstere Gedanken und Empfindungen hervorrufen, darunter auch Minderwertigkeitsgefühle und teils sogar die makabre Verlockung zum freiwilligen Abschied. Dann aber meldet sich die mir ebenso vertraute Widersacherin und fordert: „Um Himmels willen, du wirst doch nicht von selbst aufgeben! Das entspräche überhaupt nicht deinem Charakter, etwa die Flinte ins Korn zu werfen, bevor du am Ziel bist! Ergo: keinerlei Resignation! Bleibe tapfer und ziehe durch! Du wirst es schaffen und deinen Auftrag, mag er zeitweilig noch so bitter
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