Das Elbmonster (German Edition)
aber insgeheim letztlich doch ein beglückendes Ergebnis. Und genau das ist es, was uns in persönlichen Krisensituationen einigermaßen aufrechterhält, die Hoffnung auf günstigere Zeiten. Sobald man sie völlig aufgibt, ist es um einen geschehen. Ergo nicht verzagt sein, alter Junge!
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Inzwischen erscheinen mir die gerade erwähnten ureigenen Bürden sowieso fast belanglos, denn meine liebe Frau hat es jetzt wieder viel dramatischer erwischt: Lymphknotentuberkulose! Ein verdammt niederträchtiges und ebenso langwieriges Martyrium, weil man ja trotz modernster Verfahren bislang noch nicht präzise ermitteln kann, wo genau im menschlichen Körper die winzigen Bösewichte ihr Unwesen treiben. Mithilfe einer gewaltigen Chemokeule (jeden Morgen zwölf Tabletten!) soll ihnen bei meiner holden Intima fortan der Garaus gemacht werden. Aber sie erweisen sich oftmals als außerordentlich wehrhaft, die überaus heimtückischen „Schwindsuchtbazillen“. Wie es heißt, überstehen sie nicht selten mindestens ein halbes Jahr lang sämtliche medizinischen Vernichtungsversuche, selbst wenn diese noch so gezielt durchgeführt werden. Die Krankheit sei prinzipiell heilbar. Und die Nebenwirkungen?
Erhärtet wird unsere derzeit ohnehin brenzlige Situation noch durch folgenden Umstand: Wenn mir etwas zustößt, namentlich auf gesundheitlicher Ebene, so bin ich gegebenenfalls auffallend reserviert oder zuweilen auch (vorübergehend!) missgelaunt. Jedoch belasten mich meine eigenen Bedrängnisse psychisch niemals derart stark und tiefgreifend wie die jeweils aktuellen Probleme meiner nächsten Angehörigen. Und bin ich den entsprechenden Leiden gar hilflos ausgeliefert, drücken sie mich regelrecht in den Boden, machen mich fruchtbar depressiv. Indessen vermute ich aber, dass es den meisten Leuten nicht wesentlich anders ergeht, sobald sie von gleichen oder ähnlichen Sorgen betroffen sind.
Apropos Tuberkulose: Bisher war ich fast schon davon überzeugt, in Deutschland wäre sie weitgehend ausgemerzt oder zumindest halbwegs gebannt. Ein betrüblicher Irrtum, wie ich kürzlich selbst erfahren musste. Fachleute meinen, sie würde insbesondere aus afrikanischen und asiatischen Staaten immer nachhaltiger zu uns hereingeschleppt. Damit offenbart die bedingungslose Internationalisierung sozialen Lebens augenscheinlich auch hier ihre Tücken, quasi die Kehrseite von allzu rasanten Veränderungen.
Es ist wohl richtig zu sagen, je früher einer den Abflug macht, desto mehr Bekümmernisse, Nöte und Schmerzen bleiben ihm erspart. Dennoch halte ich es für absolut legitim, den letzten Atemzug möglichst so lange hinauszuschieben, bis es keinerlei Hoffnung mehr gibt, uns an der einzigartigen Faszination irdischen Daseins zu erfreuen, und zwar nicht zuletzt deshalb, weil ich das vermeintliche Weiterleben im nebulösen Jenseits nach wie vor ins Reich der Legenden verbanne. Ich kann die religiöse Hypothese einfach nicht verinnerlichen, auch wenn sie von unzähligen Gläubigen seit Menschengedenken noch so leidenschaftlich gepriesen wird.
Freilich habe ich auch zu dieser Problematik mehrere Abhandlungen gelesen, manche davon regelrecht studiert. Doch selbst die mit erstaunlichem Fleiß und bemerkenswerter Akribie zusammengefügten Versuche, eigens auf naturwissenschaftlicher Basis die Existenz Gottes nachzuweisen, wie etwa von Werner Gitt in verschiedenen Vorträgen und Publikationen angestrebt (zuletzt habe ich sein Buch „Am Anfang war die Information“ gründlich durchforstet), können mich nicht überzeugen, denn sie alle erweisen sich keineswegs als generell schlüssig. Vielfach wird mit Behauptungen gearbeitet, die aber nicht zwingend stichhaltig sind, sondern rein hypothetische Konstrukte.
Zudem ist uns sicherlich auch einigermaßen vertraut, wie bisweilen auserwählte Persönlichkeiten der Geschichte oder Gegenwart infolge ihrer vermeintlichen Gloriole systematisch zu „Heiligen“ gekürt werden. Falls nicht, wäre beispielsweise die besonders instruktive Abhandlung „Santa Evita“ von Tomás Eloy Martínez (Suhrkamp) zu empfehlen.
Desgleichen werden die meisten von uns bestimmt schon etwas von der sogenannten Nahtoderfahrung gehört haben. Ist dabei noch niemandem aufgefallen, mit welcher Selbstverständlichkeit religiöse Leute die einschlägigen Begebenheiten als „erlebte Gottesbeweise“ interpretieren?
Die Betroffenen jener Geschehnisse schildern nahezu übereinstimmend, dass
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