Das Elbmonster (German Edition)
wäre die Pünktlichkeit, meinte Lessing.
Das ist wahrhaft nicht nur eine Zierde der Könige, sondern steht buchstäblich jedem von uns bestens zu Gesicht, denn es zeugt von gebührender Wertschätzung derjenigen, mit denen man ein persönliches Treffen vereinbart hat. Unser Protagonist hält sich daran.
Ungeachtet allen ehrbaren Bemühens ist natürlich auch Abel außerstande, es jedem Menschen recht zu machen. Das vermag niemand. Auch wenn man fortwährend nur Gutes möchte, wird zuweilen Böses verursacht. Solange dir kein Mitbürger feindlich gesinnt ist, hast du es anscheinend noch nicht weit gebracht, denn wer Erfolg hat, gebiert auch Neider. Übelwollen muss man sich nämlich meist hart erkämpfen, Mitleid hingegen erhält man kostenlos. Und wenn einer gar vehement behauptet, jedwede Rachegelüste seien ihm absolut fremd, dem ist ohnehin nicht zu glauben.
Wer selbst Kinder hat, blickt in aller Regel anders in die Zukunft als jene Frauen und Männer, die aus irgendwelchen Gründen keinen Nachwuchs haben wollen oder können. Insbesondere Personen, die bewusst auf Sprösslinge verzichten, dürften sich kaum nennenswerte Sorgen darüber machen, was nach ihrem Ableben geschieht, es sei denn, dass sie aus lauter Eitelkeit um das spätere Ansehen ihres Namens fürchten. Gewisse Zusammenhänge sind nun einmal so, was ja noch keine moralische Wertung beinhaltet. Diese sollte ohnehin stets differenziert, sprich personengebunden und niemals pauschal erfolgen. Sonst gelangt man zwangläufig zu Fehlurteilen.
Abels Stammbaum ist hinsichtlich seiner direkten Nachkommen reichlich gesegnet, und das hält ihn laufend in Schwung. Doch in erster Linie dürfte es wohl seine ungemein faszinierende Frau Ulrike sein, die ihm anhaltend Flügel verleiht, weil er sie grenzenlos liebt, was sie ebenso hingebungsvoll erwidert, ähnlich dem berauschen Inhalt eines Freudenbechers, den beide unablässig füllen, damit seine exklusive Stimulanz ihnen stets erhalten bleibt. Ohnedies entdecke ich fortwährend erstaunliche Parallelen zur vormals bewunderungswürdigen Ehe seines jüngeren Bruders Peter (womit wir bereits seit Anbeginn vertraut sind).
Während bei mir zwischen Wollen und Können oder meinen Wünschen und deren angemessenen Verwirklichung zuweilen eine tiefe Kluft herrscht, gelingt es Abel fast durchweg, die mannigfachen Wirrnisse des Lebens clever zu meistern. Dagegen fühle ich mich manchmal wie der reinste Waisenknabe.
Ja, er ist bestimmt ein richtiger Glückspilz, unser mysteriöser Kamerad, ein Sonntagskind eben, wenn nicht sogar ein von Göttern auserwählter Schützling.
Doch urplötzlich tritt aus dem Schatten der Zeit sein ärgster Widersacher hervor. Zufall oder Absicht? Allein dessen Erscheinung flößt mir unweigerlich Angst und Schrecken ein. Und sobald ich wie gebannt in seine Augen sehe, triumphiert das blanke Entsetzen in mir, das mich auf der Stelle vollkommen fassungslos macht. Es handelt sich anscheinend um ein absolut fremdartiges Wesen, das mir jählings gegenübersteht. Was führt es im Schilde? Oder ist es sogar allgegenwärtig?
Umso heftiger bedrängt mich immer wieder die bange Frage, was Peter während seiner Abschiedsstunde durch seine Äußerung „Abel…Elbmonster“ mir noch anvertrauen wollte. Sie geht mir einfach nicht aus dem Sinn.
Zwar habe ich mittlerweile infolge gezielter Recherchen ein paar einschlägige Tatsachen herausgefunden, doch entscheidende Hinweise und Zusammenhänge sind mir nach wie vor unklar, viel zu fade, um jetzt schon tragfähige Schlussfolgerungen abzuleiten.
Dennoch will ich hierauf meine Getreuen unverzüglich mit der arg merkwürdigen Story vom angeblich nimmersatten und daher nahezu allesfressenden Ungeheuer, das sich bereits seit Längerem in den Flussläufen des Elbstromes tummeln soll, vertraut machen oder sie wenigstens nochmals ins Gedächtnis rufen. Das aufsehenerregende Ereignis lässt sich hier deshalb fast mühelos wiedergeben, weil ja die unterschiedlichsten Medien ausführlich und teils sogar mehrfach darüber berichteten. Diesen Sachverhalt würden mir sicherlich viele Leser gerne bestätigen, zumal uns jene Informationen größtenteils sensationslüstern und reißerisch übermittelt wurden. Was mich hierauf allerdings etwas verunsichert, ist der Umstand, dass ich trotz gründlichen Suchens im Internet dazu überhaupt nichts mehr auftreiben konnte. Ob womöglich sämtliche Eintragungen von einst wegen unseriöser Aufmachung wieder gelöscht
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