Das Elbmonster (German Edition)
gut einprägen! Das Thema selbst wird in einem späteren Kapitel wiederholt aufgegriffen, um es nach Bedarf erneut zu beleuchten, möglichst noch präziser auszuloten als bis jetzt geschehen.
Trotz meiner vorhin verkündeten Gedanken halte ich einstweilen an der obigen Aussage fest, dass es bei uns derzeit noch keine nennenswerten Forschungsbemühungen zum Problem der Suizide gibt. Sporadische Versuche, die zweifellos vorhanden sind, ändern nichts am gegebenen Sachverhalt. Vielleicht ist diese Zurückhaltung zum Teil auch nur dem Faktum geschuldet, dass im Christentum eine bewusste Selbsttötung als Sünde gilt, während man beispielsweise in Japan solche religiöse Verbote kaum einbezieht. Dort herrscht vielmehr die Ansicht, dass ein Mensch beim Ableben ungeachtet der Art des Todes in einen friedlichen Zustand übergeht.
Dabei könnte den Gefährdeten durch eine angemessene therapeutische Behandlung mit geeigneten Medikamenten sicherlich nachhaltiger geholfen werden als wir es gegenwärtig praktizieren. Nun ja, vielleicht gibt man sich doch lax dem wundersamen Glauben hin, je eher jemand den Abflug ins jenseitige Paradies macht, desto mehr Kümmernisse bleiben ihm auf Erden erspart, etwa nach dem Motto: „Wen Gott liebt, den holt er beizeiten zu sich.“
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In soeben erwähnter Hinsicht gehöre ich bislang offenbar nicht zu den Auserkorenen des himmlischen Vaters. Und darüber bin ich überaus glücklich, denn ich mag viel zu sehr das Leben auf unserem einzigartigen Planeten, obgleich ich von gesundheitlichen Problemen selbstredend auch nicht verschont bleibe, zumal mich deren Geister gelegentlich schon arg plagen. Ja, die Leichtigkeit des Seins zieht allmählich von dannen. Aber warum sollte es mir unbedingt besser ergehen als so manch anderen Zeitgenossen? Außerdem spüre ich mit fortschreitendem Alter ebenso wie viele Mitbürger, dass sich einige Wogen früherer Leidenschaften langsam glätten, bei Weitem nicht mehr so stürmisch und auch seltener brodeln, was indessen keineswegs heißt, dass da nichts mehr geht. Sexuelles Begehren kann dich auch noch im Herbst des Lebens ereilen, meist weniger glutvoll als ehedem, sicherlich auch kaum in Ekstase gipfelnd, aber dennoch nach feurigem Eifer durchaus beglückend. Schließlich dient schon seit Urzeiten nicht jeder Liebesakt vorrangig der Erhaltung unserer Spezies. Er ist vielmehr Ausdruck einer weit gefächerten kulturellen Entwicklung der Menschheit.
Ja, meine achtbaren Wegbegleiter, namentlich die Jüngeren unter euch, ihr dürft berechtigt hoffen, zumal sich hier einer gänzlich unverhüllt offenbart, der inzwischen bereits sein 55. Hochzeitsjubiläum feiern durfte!
Mag sein, dass ich hierauf bei einigen Zeitgenossen angesichts der Flüchtigkeit heutiger Partnerschaften prompt als Dinosaurier gälte. Das tut mir aber gar nicht weh. Im Gegenteil: Ich bin stolz darauf (selbst wenn ich vielleicht einiges verpasst haben sollte).
Dass es auch in meiner Ehe mitunter ernsthafte Reibereien und Konflikte gab, will ich ja nicht leugnen, noch muss ich das gesondert betonen, weil ich es für vollkommen normal halte. Die Frage ist nur, wie man anstehende Probleme gemeinsam löst und ob das Positive innerhalb des jeweiligen Bündnisses eindeutig überwiegt.
Sonach dürfte das weitgehend stabile Langzeitverhältnis zu meiner lieben Frau sicherlich ein Geschenk sein, doch im gewissen Maße wohl auch ein Verdienst, denn Liebe, Partnerschaft und Familie sind besonders edle Pflanzen, die sich gern emporrichten und zum Lichte wenden, sofern man sie behutsam hegt und pflegt. Schon regelmäßige Streicheleinheiten zeugen von Herzenswärme. Wird ihnen diese fürsorgliche Aufmerksamkeit nur sporadisch oder gar nicht zuteil, siechen sie peu à peu dahin, oder sie sterben mitunter völlig überraschend, wie uns sattsam bekannt sein dürfte. Wir sind also gehalten, uns fortlaufend um sie zu kümmern. Dann bezaubern sie uns auch des Öfteren durch ihre phänomenale Schönheit.
Natürlich hat das stets etwas mit vertrauter Zweisamkeit zu tun, nachhaltig befördert durch gegenseitiges Geben und Nehmen. Deshalb haben speziell ausgeprägte Egoisten kaum eine Chance, jemals eine gute Ehe zu führen oder in vergleichbaren Beziehungen den Partner auf Dauer glücklich zu machen. Einzelkinder sind oftmals so programmiert. Sie können einfach nicht teilen, weder Freud noch Leid.
Das muss selbstredend nicht zwangsläufig so sein. Es ist in erster
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