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Das elektronische Glück

Titel: Das elektronische Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dieverse Autoren
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bringen.«
     »Dann werde ich mein Leben lang schreiben.«
     »Aber zuerst muß man lernen, auf Papier zu schreiben.«
     Das ist sehr mühsam, auf Papier zu schreiben. Du selbst weißt von deinem Helden so viel, daß du unwillkürlich das Gefühl dafür verlierst, ob es dir gelungen ist, zwischen den Zeilen all das zu sagen, was im Gedruckten keinen Platz findet. Für dich existiert dies Unausgesprochene, weil alles, was du gedacht hast, als du deine Novelle, deinen Roman oder auch nur deine Kurzgeschichte schriebst, dir immer gegenwärtig ist, und wenn du durchliest, was du geschrieben hast, dann kommen dir tausend Assoziationen und schaffen unwillkürlich jene Mischung von Lauten, Gerüchen, Empfindungen und Wünschen, die den Text lebendig macht; aber das trifft nur für dich zu. Wie sollst du überprüfen, ob das alles auch für den Leser gilt?
     Und selbst das Eigene kann ganz verschieden klingen, je nachdem, ob es handgeschrieben, auf der Maschine abgetippt oder gedruckt ist. Nun finde erst einmal heraus, wo dir etwas gelungen ist und was einfach nichts taugt. Du schreibst und schreibst, mühst dich unsäglich, eines schönen Tages beschließt du, alles hinzuwerfen, weil offensichtlich ist, daß nichts aus dir geworden ist – und plötzlich, wie der Blitz aus heiterem Himmel, kommt die Entscheidung des Rates des Schriftstellerverbandes, dir das Recht zuzuerkennen, Wirklicher Schriftsteller zu sein. Dann hörst du auf, Papier zu beschreiben.
     »Ich will genau wie Sie Wirklicher Schriftsteller sein und lebendige Menschen schaffen«, verkündete Rika hartnäckig.
     Noch ganz ein kleines Mädchen, dachte Astor, noch ganz dumm. In einem bestimmten Alter träumen sie alle davon, auf den Uranus zu fliegen, ins Magma zu tauchen oder Wirklicher Schriftsteller zu sein. Wenn sie sechzehn sind, gibt sich das meistens. Die Hälfte von ihnen bekritzelt Papier mit Gereimtem und Ungereimtem, aber über das Papier hinaus gelangen nur einzelne – einzelne auf dem ganzen Planeten. Bei den übrigen verliert sich das. Es wird sich auch bei dieser verlieren, von selbst, warum soll ich da etwas sagen. Einem Mädchen den Berufswunsch auszureden ist eine undankbare Beschäftigung und vor allem ganz nutzlos.
     »Um lebende Menschen zu schaffen, genügt der Wunsch allein nicht«, hörte er sich, verwundert über seinen lehrhaften Ton. »Dieses Recht verleiht der Rat der Schriftsteller, aber nicht für immer. Es kann einem verliehen und auch wieder genommen werden. Außerdem gibt es kaum Frauen unter den wirklichen Schriftstellern. Höchstwahrscheinlich deshalb, weil die Frauen die Möglichkeit haben, lebendige Menschen auf andere, natürliche Weise zu schaffen, und darin sind sie besser.«
     Rika errötete so plötzlich, daß Astor sogar erschrak, doch sie preßte die Knie nur fester an die Brust, wartete, bis, wie sie glaubte, die Röte vergangen war – in Wirklichkeit hielt sie sich noch beinahe zehn Minuten –, und wiederholte hartnäckig und böse: »Ich will es und ich werde, ich will und ich werde. Das werden meine Menschen sein, ganz und gar meine, ich denke sie aus, zwinge sie zu atmen, sich zu bewegen, sich zu quälen und, was das wichtigste ist, auf menschliche Art zu leben. Verstehen Sie, ich werde sie lehren, so zu leben, wie ich es möchte.«
     »Ich verstehe«, sagte er langsam. »Auch ich habe davon geträumt. Ich habe geträumt, wie meine Helden leben werden. Davon, wie ich sie schaffen werde. Ich wußte vorher, wie unerlaubt stark ich sie lieben würde. Aber ebenso wie Sie vergaß ich, daß ich sie früher oder später töten muß.«
     Er sagte es und bereute es sofort, nicht weil er es ihr nicht hätte sagen sollen, sondern weil er sich einfach hatte erholen wollen und an nichts denken, bis er in seinem Haus war, und nun war das, was ihn selbst am Tage, wenn er über seine Physik nachdachte, unterbewußt quälte, doch hervorgebrochen, und er hatte nicht einmal diese wenigen Minuten lang Ruhe.
     Wahrscheinlich widerspiegelte sich dies alles auf seinem Gesicht, denn Rika ließ die Beine vom Fensterbrett gleiten, sprang herunter und trat auf ihn zu, einen seltsamen Ausdruck in ihren Zügen, fast eine Grimasse.
     »Ach!« stieß er hervor, winkte ab und ging schnell fort, hinaus aus dem Institut, die kurze Kiefernallee entlang nach Hause, wo ihn das direkt mit dem Studio des Schriftstellerverbandes gekoppelte Diktaphon erwartete, und den ganzen Weg über wußte er nicht, was er tun sollte, seine Novelle war

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