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Das elektronische Glück

Titel: Das elektronische Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dieverse Autoren
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weniger wählerisch zu sein, und so mit einem Trick jeden beliebigen bedingten Reflex unter die Instinkte schmuggeln. Dazu braucht man nur die funktionellen Möglichkeiten dieses Zentrums zeitweilig zu unterdrücken.«
     »Sie meinen also, wenn ich Jane beibringen würde, auf den Vorderbeinen zu laufen, dann könnte sie diese Fähigkeit ihren Nachkommen vererben?« fragte Nikulin lächelnd.
     »Genau. Eben darüber wollte ich mit Ihnen sprechen. Es ist mir gelungen, eine Kombination von Alkaloiden zusammenzustellen, die auf das Hirnzentrum einwirken, in dem bedingte Reflexe für die Umwandlung in Instinkte ausgewählt werden. Durch Injektionen kann man dieses Zentrum völlig lahmlegen. Ich habe Versuche an Meerschweinchen durchgeführt, aber ich verstehe nicht viel von Dressur und konnte nur die Weitergabe einfachster Reflexe auf ein Klingelzeichen bei der Fütterung überprüfen. Die folgenden Generationen behielten diesen Reflex, wobei unter den Nachkommen eine Aufspaltung nach dem üblichen Schema auftrat.«

    Es dauerte über eine Woche, ehe es Garber gelang, Nikulin zu einem Versuch an Jane, die Nachwuchs erwartete, zu überreden. Einen Moment lang brachte Modest Fomitsch bei Garber zu Hause Jane bei, auf den Vorderbeinen zu stehen. Vor jeder Übungsstunde spritzte Garber der Katze eine rötliche Flüssigkeit ins Rückenmark.
     Als Nikulin eines Morgens zu Garber kam, traf er ihn an, wie er in der Ecke kniete und Kätzchen mit der Flasche fütterte.
     »Ihre Jane«, sagte Garber, »benimmt sich sehr sonderbar. Sie schenkt ihren Jungen nicht die mindeste Beachtung und scheint sie nicht säugen zu wollen. Es sieht so aus, als fehlte ihr jeglicher Mutterinstinkt. Drei hat sie während der Geburt erstickt, die übrigen drei mußte ich von ihr isolieren. Sie saugen sehr schlecht die Milch aus der Flasche. Ich weiß einfach nicht, was ich mit ihnen anfangen soll.«
     »Und wo ist Jane?« erkundigte sich Nikulin. »Die liegt in der Küche und tut, als ginge sie das alles nichts an.«
     Nikulin trat in die Küche. »Jane!« rief er, doch die Katze wandte nicht einmal den Kopf.

    Die Kätzchen wuchsen normal, und Garber wartete ungeduldig, daß sie zu gehen anfangen würden.
     Nach einigen Tagen teilte Garber Nikulin mit, daß Jane aus dem Haus gelaufen war. Alle Versuche, sie zu finden, blieben vergeblich.
     Eines späten Abends kam Garber aufgeregt zu Modest Fomitsch. »Sie stehen!« rief er atemlos. »Alle drei auf den Vorderpfoten! Kommen Sie schnell!«
     Der Anblick übertraf alle Erwartungen. Die drei Kätzchen standen sicher auf den Vorderpfoten. Garber nahm eins davon auf die Hand, doch es riß sich los und stellte sich wieder mit dem Kopf nach unten hin.
     »Was hab' ich Ihnen gesagt?« Garber kicherte. »Sehen Sie's jetzt, Sie ungläubiger Thomas? Begreifen Sie, was das bedeutet? Die Idee mit den Säuglingen, die von Geburt an Differentialgleichungen und grammatische Regeln beherrschen, ist also gar nicht so absurd. Heute, mein Lieber, beginnt eine neue Ära in der Geschichte der Menschheit!«
     Am nächsten Morgen lief Modest Fomitsch noch vor dem Frühstück zu Garber.
     »Ich verstehe nicht«, sagte der, »was mit ihnen los ist. Sie haben die ganze Nacht nicht geschlafen. Stehen da wie versteinert, mit dem Kopf nach unten. Ich habe versucht, sie mit Gewalt ins Körbchen zu legen, aber davon bekommen sie Schüttelkrämpfe. Sie fressen nicht und trinken nicht.«
     Die Kätzchen krepierten nach drei Tagen. Garber erzählte, daß sie die ganze Zeit auf den Vorderpfoten gestanden hätten.
     Modest Fomitsch hat seitdem das Interesse an Tierdressuren verloren. Das Aquarium mit den Fischen und den Papagei hat er den Nachbarskindern geschenkt.
     Nachts verfolgt ihn oft derselbe Traum: Wickelkinder, die fieberhaft bis zur Erschöpfung Differentialgleichungen lösen.
     Er geht täglich in den »Klub der Rentner«, wo er bis zum Abend Domino spielt. Gegen Mittag erscheint für gewöhnlich Garber, dessen Ziel die Tischchen der Schachspieler sind. Wenn die beiden einander; erblicken, verbeugen sie sich kühl.

Ilja Warschawski

    Die Flucht

    »Hau-ruck! Hau-ruck!«
     Eine primitive Vorrichtung: ein Brett, zwei Stricke – und schon liegt der schwere Gesteinsbrocken im Karren.
     »Vorwärts!«
     Die Last ist nicht größer als sonst, doch das Menschlein in gestreifter Kluft, das seine Brust gegen den Querbalken des Gefährts stemmt, bringt sie nicht von der Stelle.
     »Vorwärts!«
     Einer der

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