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Das elektronische Glück

Titel: Das elektronische Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dieverse Autoren
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– du warst ja tagsüber auch nur Physiker.«
     Astor nickte.
     »Und beeile dich nicht. Pfusche nicht. Fühl dich nicht verpflichtet. Forme deinen Stor nur aus Liebe und Leid. Das sind die einzigen reinen Komponenten, alles übrige ist unecht. Lieb ihn nicht nur, weil er dein Werk ist. Er muß es wert sein, herausgeholt zu werden. Und wenn du merkst, daß er das wirklich verdient – du weißt, wie du ihn retten kannst.«
     Eine Zeitlang noch standen sie sich schweigend gegenüber und sahen einander an. Dann trat der Alte einen Schritt zurück und verschwand im Dunstkörper der Mauer.
     Astor wartete. Die geheimnisvollen Geräusche des abendlichen Waldes kreisten ihn ein, und er strengte alle Sinne an, um zu vernehmen, was sich auf der anderen Seite tat. Nichts drang von dort herüber. Astor wartete immer noch. Eine seltsame Erinnerung tauchte aus dem Unterbewußtsein herauf: Auf der anderen Seite hatte der Wald niemals gerauscht… Er schwankte, als habe ihm diese Erinnerung einen sanften Stoß versetzt, und ging davon, ging immer schneller und schneller, ohne sich umzublicken, weil er sich diesen Ort schon für sein ganzes menschliches Leben eingeprägt hatte, um ihn sofort und unfehlbar wiederzufinden, wenn die Zeit kommen würde, hierher zurückzukehren.

Ilja Warschawski

    Jane

    An jenem Morgen erwachte Modest Fomitsch mit einem Gefühl der Unruhe. Er lag mit geschlossenen Augen da und versuchte zu begreifen, warum der Wecker nicht geklingelt hatte und er, Modest Fomitsch Nikulin, nicht auf Arbeit war, sondern im Bett faulenzte, obwohl doch die Strahlen der Morgensonne längst sein Kopfkissen erreicht hatten. Es mußte also schon spät sein, mindestens zehn Uhr.
     Modest Fomitsch richtete sich im Bett auf und öffnete die Augen.
     »Grüß dich, Fomitsch!« rief der Papagei im Käfig, der seit langem auf das Erwachen seines Herrn gewartet hatte.
     Nikulin trat mit bloßen Füßen auf den Bettvorleger und lächelte. Nun hat es also begonnen, das neue Leben, dachte er.
     Die letzten fünf Tage waren bis zum Rand mit dem Trubel angefüllt gewesen, den der Eintritt ins Rentenalter mit sich brachte. Auf dem Abschiedsabend allerdings, den die Kollegen gestern ihm zu Ehren veranstaltet hätten, mußte er wohl ein wenig zu tief ins Glas geschaut haben.
     Heute war der erste Tag des Rentners Nikulin, der sich nun endlich vollends seiner alten Leidenschaft zu widmen gedachte.
     Modest Fomitsch zog die Hosen an, fuhr in die Hausschuhe und trat an das Aquarium mit den Goldfischen. Er nahm eine Handvoll Futter und klopfte mit dem Finger ans Glas. Die fünf Goldfische formierten sich in einer Reihe hintereinander, führ Bomberstaffel erinnerte, und verharrten in Erwartung des Futters in einem Halbkreis. Nikulin allein wußte, welch gigantische Mühe es gekostet hatte, den Fischen diesen simplen Trick beizubringen.
     Seine Lieblingskatze Jane, die mit halbgeschlossenen Augen auf dem Sofa lag, beobachtete ihren Herrn aufmerksam. Nur ein leichtes Zucken der Schwanzspitze ließ erkennen, daß sie auf etwas wartete.
     »Guten Morgen, Jane!«
     Die Katze streckte sich träge, sprang weich vom Sofa, kam zu Nikulin und gab ihm widerwillig die Pfote.
     Nikulin trank rasch einen Schluck Tee, brachte einen neuen Ballon für die Luftzufuhr im Aquarium an und wandte sich Jane zu, die wieder auf dem Sofa lag. »Schluß mit dem faulen Leben, Jane«, sagte er, »jetzt geht die Arbeit richtig los!« Er winkte Jane mit dem Finger, sie sprang ihm auf die Schulter, und sie verließen das Haus.
     Die Tierdressur war Modest Fomitschs einzige Schwäche und gab des öfteren Anlaß zu Scherzen seiner Kollegen. Hinter dem Rücken nannte man ihn sogar »den Dompteur«. Jedes Quentchen Freizeit widmete er dem Studium von Büchern über Zoopsychologie und den Experimenten mit Haustieren.
     Heute wollte er sein seit langem geplantes Vorhaben in Angriff nehmen, Jane das Tanzen beizubringen.
     Modest Fomitsch ging bis zu einem kleinen Platz am Ende der Allee, der »Klub der Rentner« hieß, und setzte sich auf seine Lieblingsbank. Um diese Zeit waren noch nicht viele Leute im »Klub«, und Nikulin machte sich an die Arbeit mit Jane, ohne zu befürchten, daß neugierige Zuschauer die Katze ablenken könnten. Bald jedoch erschien auf dem Platz ein kleiner dicker Mann, der interessiert verfolgte, wie Jane auf den Hinterpfoten ging. Er lungerte den ganzen Vormittag in ihrer Nähe herum und entfernte sich erst, als Nikulin mit Jane zu Mittag

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