Das elektronische Glück
auf ihn.
Erst als die Häftlinge fort sind, merkt er, wie es in seinem Versteck stinkt.
Die Atemlöcher liegen etwas höher als Arps Mund. Er muß einen Teil des Mülls unter seine Füße scharren.
Nun heißt es aufpassen. Das Revierreinigen endet um zehn. Danach bringt man die vollen Container nach oben.
Wer weiß, woher es kam, dieses breite, rohe, mörtelbeschmierte Brett. Sein eines Ende stützt sich in die Kante zwischen Containerboden und Wand, das andere ragt über Arps Kopf. Wie schon die Böcke beweist das Brett, daß jemand um das Schicksal des Flüchtlings besorgt ist. Arp wird das besonders jetzt bewußt, da eine spitze Metallstange den Müll durchsticht und, als sie auf das Brett trifft, es von oben bis unten abtastet. Wenn dieses Brett nicht wäre… Die Kontrolle scheint kein Ende zu nehmen.
»Na, was ist da?« fragt eine heisere Greisenstimme.
»Nichts. Nur ein Brett.«
»Dann los!«
Ein sanfter Ruck, das Quietschen des Tores, der Container schwankt – und schwebt nach oben. Ab und zu trifft er gegen den Schacht, und Arp, der sein Gesicht gegen die Wand preßt, spürt jeden Stoß. Zum Glück ist zwischen seinem Kopf und dem Brett noch etwas Platz, so daß er ihn bei starkem Schlingern zur Seite drehen kann.
Stopp! Ein letzter, besonders heftiger Ruck, und mit Getöse hebt sich der Deckel. Noch einmal durchsucht ein Eisenstab den Inhalt des Containers. Und wieder verbirgt das Brett den angstschlotternden Menschen. Durch die Luftlöcher blickt Arp auf eine Betonmauer. Die ganze Welt scheint ihm von dieser rauhen grauen Fläche begrenzt.
Doch jene Welt ist angefüllt mit lang vergessenen Tönen. Arp erkennt das Quietschen von Autoreifen, die Stimmen Vorübergehender und sogar das Tschilpen der Spatzen.
Ein gleichmäßiges, hartnäckiges Klopfen auf den Deckel läßt ihn zusammenfahren. Die Schläge werden häufiger, immer drängender und ungeduldiger, und plötzlich begreift er, daß es regnet. Nun erst weiß er, wie nahe die Freiheit ist und wie sehr er sich nach ihr sehnt.
Alles in dieser Nacht ist wie ein Fieberwahn. Seit man Arp aus dem Container herauskippte, fällt er immer wieder in Bewußtlosigkeit, aus der ihn Rattenpfoten wecken. Diese Müllkippe strotzt von Ratten… Auf einer nahen Chaussee fahren Autos. Ihre Scheinwerfer reißen manchmal den Abfallhaufen, hinter dem sich Arp versteckt, aus der Dunkelheit. Die Ratten huschen fiepend in den Schatten, zerkratzen dabei mit ihren scharfen Krallen Arps Gesicht, fauchen ihn an, wenn er versucht, sie zu verjagen, und kommen zurück, sobald die Kippe wieder finster liegt.
Arp denkt daran, daß seine Flucht sicher schon bemerkt wurde. Er versucht sich vorzustellen, was jetzt im Lager passiert. Ihm schießt durch den Kopf, daß die Hunde seine Spur aufgenommen haben könnten, die zu den Containern führt, und dann… Wie ein Schlag treffen ihn zwei grelle Lichtbündel. Arp springt auf. Gleich darauf verlöschen die Scheinwerfer. Statt ihrer glimmt eine kleine Lampe im Fahrerhaus des Autos. Es ist ein Armeelaster, einer, in dem man gewöhnlich Munition befördert. Der Schofför gibt Arp ein Zeichen heranzukommen.
Arp atmet erleichtert auf. Das Auto, von dem im Kassiber die Rede war.
Er geht zur Rückwand des Wagenkastens. Die Tür wird geöffnet, Hände strecken sich ihm entgegen. Dann ist er wieder im Dunkeln.
Im Wagenkasten ist es eng. Arp sitzt auf dem Boden, fühlt hinter und neben sich Leiber, hört schweres Atmen. Weich federnd und leise rast der Laster dahin…
Später erwacht Arp vom Licht einer Lampe, die ihm ins Gesicht scheint. Etwas muß passiert sein! Er spürt die Bewegung nicht mehr, an die er sich schon gewöhnt hatte.
»Fünf Minuten Rast«, sagt der Mann mit der Lampe. »Ihr könnt aussteigen.«
Arp hat keine Lust, das Auto zu verlassen, aber von hinten drängen die anderen, und er muß auf die Erde springen.
Nun stehen alle um das Fahrerhaus herum. Keiner wagt es, sich vom Lastwagen zu entfernen.
»Folgendes, Kinder«, sagt ihr Retter und läßt den Lichtstrahl noch einmal über sie wandern. »Vorerst läuft alles glatt, doch bis wir euch ans Ziel gebracht haben, kann manches passieren. Ihr wißt doch, was auf Flucht steht?«
Schweigen.
»Ihr wißt es. Das Komitee hat für euch Gift besorgt, eine Pille pro Nase. Wirkt sofort. Einnehmen dürft ihr's aber nur im Notfall. Klar?«
Arp nimmt seine in Silberfolie gewickelte Dosis in Empfang und steigt zurück in den
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