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Das elektronische Glück

Titel: Das elektronische Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dieverse Autoren
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Wagenkasten.
     Die Tablette in seiner Faust gibt ihm das Gefühl eigener Stärke.
     Nun haben die vom Zuchthaus keine Macht mehr über ihn. Mit diesem Gedanken schläft er erneut ein.
     Gefahr! Man spürt sie in allem: im Stillstand des Autos, in den blassen Gesichtern der Flüchtlinge, die vom Licht, das durch Ritzen im Kasten fällt, getroffen werden, im lauten Wortwechsel draußen auf der Straße.
     Arp macht Anstalten aufzustehen. Dutzende Hände winken ab, geben ihm Zeichen, sich nicht zu bewegen.
     »Armeeladungen werden nicht kontrolliert.« Das ist die Stimme des Fahrers.
     »Und ich sage, es ist ein Befehl! Heute nacht…«
     Das Auto schnellt davon. Ihm nach hämmern Feuerstöße aus Maschinenpistolen. Von der Wand des Wagenkastens springen Splitter.
     Als Arp seinen Kopf endlich hebt, wird ihm bewußt, daß seine Faust eine kleine Hand preßt. Unter einer rasierten Stirn blicken ihn schwarze, von dichten Wimpern umrahmte Augen an. Die Häftlingskleider können die mädchenhaften Rundungen der Figur nicht verhüllen. Auf den linken Ärmel ist ein grüner Stern genäht. Niedere Rasse also.
     Unwillkürlich öffnet Arp seine Hand und wischt sie an der Hose ab. Der Umgang mit Angehörigen der niederen Rasse ist auf der Medena gesetzlich verboten. Nicht ohne Grund leben diejenigen, die den Stern tragen, von der Geburt bis zum Tod in Lagern.
     »Sie kriegen uns doch nicht? Nicht wahr, sie kriegen uns nicht?«
     Die Stimme bebt und hört sich so kläglich an, daß Arp das Gesetz vergißt und verneinend den Kopf schüttelt.
     »Wie heißt du?«
     »Arp.«
     »Und ich Jetta.«
     Arp läßt den Kopf auf die Brust sinken und tut, als ob er einnickte. Immerhin weiß keiner, was man dort, wohin sie gebracht werden, zu solchem Kontakt sagt.
     Das Auto ist von der Chaussee abgebogen und holpert durch Schlaglöcher, ohne die Geschwindigkeit zu verringern. Arp knurrt der Magen. Vom Hunger und dem Gerüttel wird ihm übel. Er versucht, wenigstens seinen Husten zu unterdrücken, weil er sich vor den anderen geniert, doch davon kratzt es im Hals nur noch mehr. Sein Oberkörper krümmt sich nach vorn, und dem Mund entringt sich der Husten, vermengt mit blutigem Auswurf.
     Dieser Anfall nimmt Arp so sehr mit, daß ihm keine Kraft bleibt, die Hand mit dem grünen Stern auf dem Ärmel abzuwehren, die ihm den Schweiß von der Stirn tupft.
    Die heiße Nachtluft ist angefüllt mit den Düften exotischer Blumen. Man hört das Zirpen der Zikaden.
     Die Sträflingskluft ist abgeworfen. Ein bis zu den Fersen reichendes Leinenhemd kühlt angenehm den vom Bad erhitzten Körper. Arp kratzt mit einem Löffel sorgfältig die Breireste vom Teller.
     Am Ende des Speiseraums ist aus alten Fäßchen und Brettern ein Podest gezimmert. Daneben stehen drei: ein hochgewachsener grauhaariger Mann, dessen Gesicht sonnenverbrannt ist wie bei einem Bauern, offenbar hier der Ranghöchste, dann ein hübscher Bursche in Soldatenuniform der Medenischen Armee – es ist derselbe, der am Steuer des Lastwagens gesessen hat – und als dritte eine kleine Frau mit schwerem, um den Kopf gewundenem rotblondem Zopf. Ihr weißer Kittel kleidet sie gut.
     Die drei warten auf das Ende des Abendbrots.
     Schließlich verebbt das Löffelgeklapper. Gewandt springt der ältere Mann auf das Podest.
     »Guten Abend, Freunde.«
     Freudiges Gemurmel ist die Antwort auf diesen ungewohnten Gruß.
     »Vor allem habe ich euch mitzuteilen, daß ihr hier in absoluter Sicherheit seid. Der Standort unseres Evakuierungspunktes ist den Machthabern nicht bekannt.«
     Die grauen, verhärmten Gesichter spiegeln ein solches Glück, daß sie sogar schön erscheinen.
     »Hier, im Evakuierungspunkt, bleibt ihr fünf bis zehn Tage. Genau festgelegt wird die Frist von unserem Arzt, denn euch steht eine schwere, mehrtägige Akklimatisierung bevor. Der Ort, an den wir euch bringen, ist natürlich kein Paradies. Dort muß man arbeiten. Jeden Fußbreit Boden für unsere Siedlungen ringen wir dem Dschungel ab. Aber ihr werdet frei sein, könnt eine Familie gründen und für euer eigenes Wohl schaffen. Unterkünfte für die erste Zeit haben euch diejenigen vorbereitet, die vor euch dort angekommen sind. Das ist bei uns Tradition. Und nun bin ich bereit, eure Fragen zu beantworten.«
     Während die anderen fragen, quält sich Arp in unschlüssigem Schwanken. Gar zu gern möchte er wissen, ob man in jenen Siedlungen Mädchen der niederen Rasse heiraten darf. Doch als er sich

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