Das Elfenportal
ein Schiff auf der Insel landen würde, so hoffte er, dann würde die Besatzung die Aufzeichnungen finden und seiner Familie in die Gegenwelt folgen, um sie nach Hause zu bringen.
Aber es kam nie jemand. Anfänglich aktualisierte Landsman den Bericht alle sechs Monate, dann nur noch einmal im Jahr und dann alle paar Jahre mal. Schließlich ließ er es völlig bleiben. Inzwischen war er mittleren Alters und die kleine Arana eine erwachsene Frau. Drüben auf der anderen Seite der Säulen heirateten die jüngeren Familienmitglieder untereinander und brachten ihre eigenen geflügelten Kinder hervor. Die neuen Generationen hatten das Elfenreich nie kennen gelernt (nur die winzige kahle Insel) und zeigten wenig Interesse dafür. Sie waren zwischen den Pflanzen und Blumen der Gegenwelt zu Hause.
Es vergingen fast vierhundert Jahre, ohne dass jemand auf der entlegenen kleinen Insel landete. Aber schließlich wurde sie von einem Zauberer namens Arion gesichtet, der gerade Schwierigkeiten mit seinem Fischerboot hatte.
»Es gibt Zauberer bei euch im Elfenreich?«, fragte Henry wissbegierig.
Pyrgus sah ihn blinzelnd an. »Das sind einfach nur Leute, die Sachen zum Funktionieren kriegen. Wie Mr Fogarty hier.«
»Weiter im Text«, grollte Mr Fogarty.
Arion fand den Hinweis auf dem Felsen, der ausgeblichen, aber noch lesbar war. Er folgte den Angaben und barg Landsmans Bericht, der die Zeit ziemlich gut überstanden hatte. Aber sosehr er auch suchte, die Basaltsäulen mit dem Feuer dazwischen konnte er nicht finden. Auch von dem Schiffswrack war nirgends eine Spur. Er kam zu dem Schluss, dass der Bericht ein Scherz sein musste, aber da es ein jahrhundertealter Scherz war, besaß er den Wert einer Kuriosität, und so spendete er das Schriftstück der Bibliothek der Zauberergilde.
»Es gibt eine Zauberergilde bei euch?«, unterbrach Henry ihn erneut, aber Mr Fogarty legte den Zeigefinger auf die Lippen.
Landsmans Bericht blieb noch einmal sechzig Jahre lang unbeachtet liegen, dann nahm ihn ein abenteuerlustiger Adliger namens Urticae in die Hand. Pyrgus bezeichnete Urticae als einen Nachtelfen, ohne zu erklären, was das bedeutete.
»Es gibt Adlige bei euch?«
»Nun halt endlich die Klappe, Henry!«, grollte Fogarty.
Da er nichts Besseres zu tun hatte, machte Urticae sich auf den Weg zu der Insel. Die Basaltsäulen konnte er ebenfalls nicht finden, aber er entdeckte Hinweise auf ein weit zurückliegendes Erdbeben, bei dem sie möglicherweise zerstört worden waren. Es dauerte nicht lange und er war davon überzeugt, dass das Portal wirklich existiert hatte. Der Zugang zu einem anderen Reich eröffnete enorme politische und militärische Möglichkeiten. Urticae kam außerdem zu dem Schluss, dass das Portal etwas mit den natürlichen Bedingungen auf der Insel zu tun haben musste. Zum Amüsement seiner Familie und seiner Freunde verbrachte er die nächsten drei Jahre damit, von einem aktiven Vulkan zum nächsten zu reisen, immer in der Hoffnung, ein weiteres Portal zu entdecken. Einen Tag nach seinem dreiunddreißigsten Geburtstag gelang ihm das auch.
Das neue Portal – das zweite, das je im Elfenreich entdeckt worden war – befand sich auf den Ländereien eines anderen Adligen, der sich jedoch nie dort aufhielt: ein Lichtelf namens Iris. Urticae versuchte ihm das Grundstück abzukaufen, aber Iris wurde misstrauisch und wollte nicht auf den Handel eingehen. Urticae sammelte seine Truppen und griff das Haus Iris an, damit läutete er einen Konflikt ein, der bis zum heutigen Tag schwelte.
Das Haus Iris gewann den Krieg, und erst nach dem Sieg über Urticaes Streitmächte fand Iris heraus, worum es bei dem ganzen Theater überhaupt ging. Er suchte den umstrittenen Grundbesitz ab und stolperte schließlich über das natürliche Portal. Er erkannte zwar nicht, wozu es sich benutzen ließ, aber seine Nachforschungen erleuchteten ihn bald. Diese Entdeckung sollte die Grundlage für den Wohlstand und den großen Einfluss legen, die seiner Familie schließlich erwuchsen.
Fogarty beugte sich vor. »Du meinst, es gibt heute nur ein einziges Portal zwischen unseren beiden Welten?«
Pyrgus schüttelte den Kopf. »Nein, insgesamt sind achtzehn Portale entdeckt worden. Aber sie bleiben nicht offen. Manche von ihnen sind begraben worden, wie es wahrscheinlich mit dem ersten passiert ist. Manche hören einfach zu funktionieren auf und niemand weiß so recht, warum. Ab und zu werden neue gefunden. Zurzeit sind vielleicht fünf bekannt,
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