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Das Elixier der Unsterblichkeit

Das Elixier der Unsterblichkeit

Titel: Das Elixier der Unsterblichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabi Gleichmann
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Heidegger das Amt des Rektors der Universität Freiburg. Viele knüpften Hoffnungen an den großen Philosophen der abendländischen Metaphysik. Manch einer träumte davon, Freiburg könne ein Zufluchtsort für das freie Denken bleiben.
    Wenige wussten, dass der neue Rektor eingetragenes Mitglied der nationalsozialistischen Partei war. Die Abende widmete Heidegger dem Verfassen von Traktaten über den Humanismus und die Sache des Denkens. Tagsüber setzte er sich für umfassende Veränderungen ein, die sich mit der Weltauffassung des neuen deutschen Führers Adolf Hitler deckten. Er entließ jüdische Hochschullehrer und unterzog die Professoren regelrechten Verhören bezüglich ihrer Ansichten und Loyalitäten und ihrer Kontakte mit Juden. Er ließ alle Porträts von Personen abnehmen, deren arischer Stammbaum nicht dokumentiert werden konnte. Systematisch wurden jüdische Bücher aus der Bibliothek entfernt. Die Bücher wurden zusammen mit den Bildern auf Scheiterhaufen verbrannt, als Geste der Huldigung an den reinen deutschen Geist.
    Benjamins Porträt landete jedoch nicht auf dem Scheiterhaufen.
    Mein Großonkel erzählte uns, dass ausgerechnet Hermann Göring Benjamin vor den Flammen bewahrt habe. Der Reichsmarschall liebte die Kunst und war einer der größten Sammler seiner Zeit. In seinem Sommersitz nördlich von Berlin, den er nach seiner verstorbenen schwedischen Ehefrau Carinhall nannte, waren die Wände über und über mit einzigartigen Kunstwerken geschmückt. Alles war gestohlen, hauptsächlich aus geplünderten jüdischen Häusern und Wohnungen im von den Nazis okkupierten Europa.
    Benjamins Porträt hing zehn Jahre im Arbeitszimmer des Reichsmarschalls in Carinhall.
    Nach dem Fall des »Tausendjährigen Reiches« landete das Bild auf verschlungenen Wegen in der Sowjetunion, wo es in der geräumigen Datscha des Generals Arkadij Bondartjuk am Schwarzen Meer auftauchte.
    Vor dem Zweiten Weltkrieg hatte Bondartjuk in Moskau Philosophie studiert. Mit großem Interesse hatte er die
Ethik
gelesen und viel Zeit auf die Beschäftigung mit Fragestellungen verwendet, die sich um Gut und Böse drehten. Er war ein großer Bewunderer von Bento Spinoza und glaubte, das Porträt stelle den Verfasser der
Ethik
dar.
    Für seine Verdienste bei der Einnahme Berlins wurde der General später mit der höchsten Tapferkeitsmedaille des Arbeiterstaats dekoriert. Die Medaille wurde unter rauschendem Beifall während einer feierlichen Zeremonie im Kreml von Stalin verliehen, der Bondartjuk seinen »Lieblingsgeneral« nannte.
    Vier Jahre später wurde der General verräterischer Kontakte zur CIA und des Diebstahls staatlichen Eigentums bezichtigt. Niemand widersprach, als Stalin seinen »Lieblingsgeneral« hinrichten ließ. Der Verräter, der eigentlich Aron Bronstajn hieß und ein Neffe dritten Grades von Trotzki war, hatte jüdische Wurzeln.
    Der Tod des Vier-Sterne-Generals war auch der Auftakt zur letzten großen Säuberungsaktion des sowjetischen Diktators. Hunderte jüdische Ärzte wurden ermordet und die jüdische Kultur im Land wurde vernichtet, bevor Stalin selbst mit seinem Schreckensregime ins Grab sank.
    Benjamins Porträt verschwand spurlos, zusammen mit anderen Kunstwerken, aus der Datscha des hingerichteten Generals.
    Das zweite Gemälde hängt im Rijksmuseum in Amsterdam und ist
Caravaggio in Gesellschaft der Familie Spinoza
betitelt. Ganz unten rechts auf der Leinwand steht die Signatur des Künstlers:
Rembrandt
.
    Hier ist Benjamin sieben Jahre alt. Er hat blaue Augen, sorgfältig gescheiteltes lockiges schwarzes Haar und eine unwahrscheinlich große Nase, die das Gesicht dominiert. Das warme Lächeln verrät eine Offenheit, als wollte das Kind allen Menschen erzählen, dass die Welt voller Freude und Schönheit sei.

7.
DER REVOLUTIONÄR

DER ENZYKLOPÄDIST
    HS. Hinter diesen Initialen verbirgt sich der bedeutendste jüdische Schriftsteller der französischen Aufklärungszeit, ein ebenso kühner wie exzentrischer Mann, der von Kulturhistorikern und Kennern der Antike als der erste Experte für die Geschichte der sexuellen Abweichungen in Athen angesehen wird. Der Philosoph Michel Foucault, der in bahnbrechenden Werken das Genre analysiert hat, stellt fest, dass HS in Bezug auf Kenntnisreichtum und Einsicht von niemandem übertroffen wird.
    Er hieß Hector Spinoza, ging aber unter seinen Initialen HS in die Geschichte ein. Es fragt sich, ob er wirklich einen Platz in der französischen Geschichte bekommen hat.

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