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Das Elixier der Unsterblichkeit

Das Elixier der Unsterblichkeit

Titel: Das Elixier der Unsterblichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabi Gleichmann
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mehreren skizzenhaften Versuchen, die historischen Ereignisse mit ihren Phantasien zu verschmelzen, fand sie die richtige Methode.
    Der Roman erschien unter ihrem Mädchennamen Chiara Luzzatto. Er erschien 1804 bei Édition du Agorah in Straßburg und trug den Titel
Chronos dévorant un de ses enfants
(Die Zeit verschlingt eines ihrer Kinder). Es war die erste schonungslose Schilderung aus der Zeit der Blutbäder in Paris. Sie schlug ein wie eine Granate und wurde schnell in ganz Europa verbreitet. Chiara wurde für ihre besonderen künstlerischen Talente geehrt. Vor allem für ihre Sprache. Ein so reines und klares Französisch – notierte Marquis de Sade, der selbst ein politischer Gegner der Todesstrafe der Jakobiner gewesen und nur mit knapper Not der Guillotine entkommen war – sei seit La Rochefoucauld nicht mehr geschrieben worden.
ALLGEMEINGUT
    Heindrich zu Biederstern, der keine Gelegenheit ausließ, die Führer der Französischen Revolution zu kritisieren, deren Ideen ihn vor Grauen und Abscheu erschauern ließen, war einer der größten Bewunderer des Romans. Er fand ihn meisterhaft, zumal dann, wenn er das Leiden des Adels unter den Exzessen des Pöbels schilderte. Chiara Luzzatto sei genial und könne sich mit den meisten männlichen Autoren messen. Der Prinz war so begeistert, dass er die Übersetzung ins Deutsche finanzierte, und er machte kein Hehl daraus, dass der Roman ihn mit einer tieferen politischen Einsicht erfüllt habe. Er hob hervor, dass dank dieses Romans die Wahrheit über die Barbarei der Französischen Revolution Allgemeingut geworden sei.
    Während des Wiener Kongresses 1814 – als Europas führende Regenten darüber diskutierten, wie die Aristokratie ihre Macht aus der Zeit vor der Französischen Revolution zurückgewinnen könne – hielt Heindrich eine Rede – ich glaube, ich habe sie schon erwähnt –, die stürmischen Jubel erntete. Sie war als Angriff auf die Ideale der Aufklärung konzipiert. Der Prinz kritisierte Nicolas Spinoza scharf dafür, mit seinen Schreibereien die Wut des Volkes entfacht zu haben, und Jakobinerführer Maximilien de Robespierre für das Schreckensregime, das er geschaffen hatte. Er zitierte vier Abschnitte aus Chiaras Roman, um die Grausamkeit der Revolution zu illustrieren – nicht ahnend, dass die Verfasserin Nicolas’ Frau gewesen war und am 17. Januar 1793 dafür gestimmt hatte, dass der König geköpft werde.
    Viele zeitgenössische Künstler ließen sich stark von Chiaras Debütroman inspirieren. Der bekannteste war der Spanier Francisco de Goya.
    Es war das Jahr 1819. Enttäuscht von der immer stärker werdenden antiliberalen Haltung der spanischen Monarchie und aus Furcht, selbst in Schwierigkeiten zu geraten, war der Maler aus Madrid fortgezogen und hatte sich in seinem neuen Haus isoliert, das in einer pastoralen Landschaft in Kastilien lag. Er war gerade dreiundsiebzig Jahre alt geworden. Obwohl viele Aristokraten von ihm porträtiert werden wollten, nahm er keine neuen Aufträge an. Fast taub, mit schwindendem Erinnerungsvermögen und ständig in düsterer Gemütsverfassung, fühlte er sich am wohlsten in der Einsamkeit zwischen Leinwänden, Pinseln und dunklen Ölfarben. Er verließ selten das Atelier, in dem unfassbare Unordnung herrschte, mit Leinwänden und aufeinandergetürmten Rahmen sowie allerlei auf dem Boden verstreuten Materialien. Er sprach niemals darüber, wie er seine Tage und Nächte verbrachte. Seine Frau wusste nur, dass er fast nicht mehr schlief. Eine Köchin trug zweimal täglich Essen zu ihm hinein, immer mit einer Flasche feurigem Rioja. Rund um die Uhr, zu jeder Jahreszeit, war er in weite schwarze Hosen und ein ärmelloses weißes Hemd gekleidet, beides aus ägyptischer Baumwolle von höchster Qualität. Er fror niemals. Der Rioja im Blut hielt ihn warm.
    Chiaras Roman bekam Goya als Geburtstagsgeschenk von seiner Geliebten, die vierzig Jahre jünger war als er. Sie schlief noch immer zweimal im Monat bei ihm. Doch sie wechselten kaum noch ein Wort miteinander. Umso erstaunter war er, als sie das Buch hervorholte und ihn aufforderte, es zu lesen. Dann ging sie, ohne Lebewohl zu sagen. Er verstand sofort, dass sie ihn verlassen hatte und niemals wiederkommen würde. Eine Weile saß er mit dem Buch in der Hand, umgeben von einer bedeutungsschweren Stille.
    Zu seiner eigenen Verwunderung wurde Goya neugierig. Er war nie ein Romanleser gewesen. Für Cervantes’
Don Quijote
hätte er gerne sein Leben gegeben. Doch

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