Das Elixier der Unsterblichkeit
peinlich, dass ich mich in mein Schneckenhaus zurückzog.
Zugegeben, ich habe die Liebe vermisst und mich zuweilen sehr danach gesehnt, jemanden an der Hand zu halten und aus meinem Liebesleben mehr zu machen als eine einsame Wanderung durch eine öde, gespenstische Landschaft. Doch ich hatte immer Angst, eine feste Beziehung einzugehen, lebte ich doch in der Vorstellung, dass nichts trauriger ist, als wenn die Liebe zwischen zwei Menschen erlischt. Außerdem ist es ungerecht und grausam den Kindern gegenüber, die in einer solchen Ehe geboren werden. Ich habe Großmutter der Hausmeisterin im Treppenhaus Geschichten darüber erzählen hören, wie es ihr und Großvater ergangen war und was sie durchgemacht hatten. Vater war keiner, der sich beklagte. Aber ich weiß, dass es für ihn und seine Geschwister die Hölle gewesen sein muss, in einem Elternhaus aufzuwachsen, in dem die Eltern ständig miteinander stritten und sich hassten wie die Pest.
DIE HAUSHÄLTERIN
Marika Óvári – so hieß die neue Haushälterin, die Bernhard angestellt hatte – war zweiundzwanzig Jahre alt, dunkelhaarig, füllig, und ihre Kleider umschlossen eng ihre runden Formen. Sie kam aus Kolozsvár in Transsylvanien und war unbestimmter Herkunft. Ihre Mutter hatte in ihrer Jugend einer umherziehenden Revuetruppe angehört und Couplets gesungen, später arbeitete sie als Haushälterin bei einem Baron. Wer ihr Vater war, wusste Marika nicht. Manchmal fragte sie, wer er gewesen und wohin er verschwunden war, aber ihre Mutter wollte nichts sagen. Marika hielt es für möglich, dass die Mutter nicht wusste, wer ihr Vater war, und dass sie das Ergebnis eines Malheurs wäre. Das Leben ihrer Mutter, das verstand sie schon als kleines Mädchen, war nicht frei von solcher Art Malheurs.
Die Mutter lehrte Marika früh, dass breite Hüften und üppige Brüste ein Geschenk Gottes sind, denn die Rolle der Frau sei es, dem Manne zu gefallen – wofür der Mann Geborgenheit in der einen oder anderen Form bietet. Marika war vierzehn, als sie entdeckte, dass sie ein deutliches Talent für die Kunst der Liebe besaß. Um der Mutter einen Zuschuss zu ihrem kargen Lohn zu geben, ging sie an drei Abenden in der Woche in eins der feineren Freudenhäuser der Stadt und gab distinguierten Herren die Möglichkeit, in ihrer Umarmung ihre Lüste zu stillen.
Nachdem sie in verschiedenen Kleinstädten ihren Körper verkauft hatte, kam sie nach Budapest, wo sie das Glück hatte, einen jungen Herrn von Stand zu treffen, der maßgeschneiderte Anzüge aus feinstem englischem Tuch und eine Taschenuhr mit dicker Goldkette trug. Er wusste nicht nur Marikas Dienste zu schätzen, er bezahlte auch gut und stellte sie anderen jungen Männern aus der gehobenen Gesellschaft vor. Als sie sich einer deutlichen Blüte ihres Geschäfts erfreuen konnte, zwang sie eine Bauchhöhlenschwangerschaft mit den sich daraus ergebenden Komplikationen, für eine gewisse Zeit den Beruf zu wechseln. Durch einen ihrer Kunden bekam sie einen Platz als Haushälterin bei dessen Tante, der Witwe Miksa Falks, um der gelähmten alten Dame ihre Mahlzeiten zuzubereiten und zu servieren. Einige Wochen später, als die Witwe gestorben war, wurde Marika von Bernhard übernommen, der nichts von ihrem Hintergrund wusste, um den Haushalt der Familie Spinoza zu führen.
Warum erzähle ich von dieser Haushälterin? Weil sie, wenngleich nicht direkt, mit Großvaters und Großmutters schlechter Ehe zu tun hatte. Und auch mit meinem Leben in Norwegen.
DIE INITIATION
Mit ihrer Sachkenntnis und Erfahrung merkte Marika schnell, dass der neunzehnjährige Moricz sich nichts aus Frauen machte. Er prahlte gern mit seinen Heldentaten und Erfahrungen auf allen Gebieten, war aber bemerkenswert verschwiegen, was die Fleischeslust anging. Sie streichelte ihm, scheinbar unschuldig, ein paarmal die Wange. Seiner Reaktion konnte sie entnehmen, dass er nicht den Wunsch verspürte, näher mit ihr in Kontakt zu treten.
So wurde der ein Jahr jüngere Nathan ihr Erwählter für die Einweihung in die Liebeskunst. Der rechte Augenblick kam an einem kühlen Herbsttag. Nathan studierte Mathematik an der Eötvös-Loránd-Universität, und das Studium gefiel ihm. Aber eines Morgens trat er ans Fenster, zog die Gardine zur Seite und sah, dass es auf der Straße immer noch dunkel war, obwohl die Uhr bereits sieben geschlagen hatte. Er fühlte sich unausgeschlafen und wurde von einer unwiderstehlichen Lust ergriffen, den Unterricht zu schwänzen
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