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Das Elixier der Unsterblichkeit

Das Elixier der Unsterblichkeit

Titel: Das Elixier der Unsterblichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabi Gleichmann
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Männer beglückt hatte. Mit ihrer gut entwickelten weiblichen Intuition verstand sie es ausgezeichnet, diese kleinen Veränderungen in seinem Gemütszustand sogleich wahrzunehmen. Vielleicht wusste sie, dass seine Eifersucht leicht in Misstrauen umschlagen könnte, und um es nicht dazu kommen zu lassen, pflegte sie bei solchen Gelegenheiten in sein Ohr zu flüstern: »Das einzige, was mir etwas bedeutet, sind du und ich.«
    Kurz nach Neujahr bemerkte Nathan, dass sein Vater sich Marika gegenüber herzlicher verhielt, als er es sonst bei Haushälterinnen tat. Er beobachtete auch, dass der Vater Marika mit durchdringender Aufmerksamkeit betrachtete, um sich dann rasch einem seiner Söhne zuzuwenden. Nathan reagierte auf die Intensität im Blick des Vaters und sagte sich, dem Vater mache wohl eine harmlose Altmännergeilheit zu schaffen, was ja keineswegs verwunderlich war, wenn man bedachte, dass er seit dem Beginn seines Witwerdaseins wohl kaum mit einer Frau geschlafen hatte. Er wäre bestimmt ein bisschen eifersüchtig auf mich, wenn er wüsste, was Marika und ich miteinander treiben, dachte Nathan und lächelte in sich hinein.
DER VERRAT
    Am 9. April – Nathan sollte sich sein Leben lang an den Tag erinnern – kam Emanuel Lasker an die Universität. Der amtierende Schachweltmeister hatte einige Jahre zuvor in Mathematik promoviert. Jetzt wollte er über seinen jüngsten Beitrag zur Algebra Auskunft geben, den er »polynominale Ringe« nannte. Die Aula, in der die Vorlesung stattfand, war dicht besetzt von Studenten und Lehrern. Die Wärme im Saal stieg, und der Sauerstoff wurde immer knapper. Nathan konnte Lasker, der leise sprach, nur schwer verstehen. Er verlor die Konzentration, und seine Gedanken gingen auf Wanderschaft. Er dachte an Marika. Sie waren seit über zwei Wochen nicht zusammen gewesen. War das ein Zufall? Oder ging sie ihm aus dem Weg? Auf einmal fand er, dass sie in der letzten Zeit ein wenig abweisend gewesen war. Aber im nächsten Augenblick fiel ihm ein, dass sie ihm noch vor kurzem im Flur zugeflüstert hatte: »Das einzige, was mir etwas bedeutet, sind du und ich.«
    Er schloss die Augen und sah Marikas nackten Körper vor sich, auf dem Bett ausgestreckt. Er spürte wahnsinnige Sehnsucht nach ihr. Er wollte ihre weiche Haut streicheln, an ihren Brustwarzen saugen, in ihrem Schoß versinken. Er beschloss, die Vorlesung zu verlassen, da er sowieso kein Wort von dem begriff, was der Weltmeister sagte. Er schlich aus der Aula und hastete zur Straßenbahn. Als er zu Hause ankam, nahm er die Treppe und lief mit schnellen Schritten hinauf in den vierten Stock. Leise und vorsichtig öffnete er die Wohnungstür, denn er wollte Marika überraschen. Als er in den Flur kam, hörte er sonderbare Laute aus dem Esszimmer. Er erstarrte und spitzte die Ohren. Kam das wollüstige Stöhnen von Marika? Eine Angst durchfuhr ihn – eine Vorahnung, dass das, was ihn im Esszimmer erwartete, eine Enthüllung war, die sein ganzes Leben zerstören konnte. Sollte er umkehren? Dies ist schicksalsbestimmt, sagte eine Stimme in ihm. Er holte tief Luft und machte sich bereit. Sein Gesicht war bleich, und er ging auf Zehenspitzen. Als er die weit geöffnete Esszimmertür erreichte, hörte er Marikas bebende Stimme: »Mach weiter. Weiter. Ich bin dein. Mach mit mir, was du willst.« In der nächsten Sekunde sah er, wie der Vater sich mit seinem dicklichen, liederlichen Körper über Marika wälzte, die ihn willig empfing. Er stöhnte und klatschte mit dem Handrücken an ihre Brüste; es gab ein schmatzendes Geräusch, wie wenn man mit einem nassen Scheuerlappen gegen einen Stein schlägt. Sie rief unzusammenhängende Wörter und umschlang seine fetten Arschbacken mit den Beinen.
    Nathan betrachtete sie mit Enttäuschung und Ekel. Das war also sein Vater: wild wie ein Stier, brutal, verschwitzt. Er seufzte schwer. Es wurde totenstill, als sie ihn entdeckten. Ein furchtbares Schweigen. Bernhard gab seinem Sohn einen verzweifelten Blick, seine Schultern waren ängstlich in die Höhe gezogen, mit seiner ganzen Haltung bettelte er darum, verstanden zu werden. Marika begann nervös zu grinsen. Nathan sagte nichts. Er stellte keine Fragen. Es war genug, dem Vater und Marika in die Augen zu sehen, um zu wissen, wie es zwischen ihnen stand: Dies war nicht das erste Mal.
    Er hatte seinen Vater nie nackt gesehen. Zeuge zu werden, wie das steife Glied seines Vaters in den Schoß seiner Geliebten eindrang – das war unerträglich. Den

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