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Das Elixier der Unsterblichkeit

Das Elixier der Unsterblichkeit

Titel: Das Elixier der Unsterblichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabi Gleichmann
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Hautschicht bedeckt, die voller Risse war, in denen sich Entzündungen und Blutungen bildeten.
    Moricz litt an der gleichen Hautkrankheit, wenn auch in einer milderen Form. Jedes Mal, wenn der Hausarzt kam und Kalman mit diversen Salben behandelte, hatte Moricz Schuldgefühle, denn er glaubte, er habe den Bruder angesteckt mit dem quälenden Juckreiz, von dem der Kleine geplagt wurde. Dies schuf zwischen dem ältesten und dem jüngsten der Spinoza-Brüder starke Bande.
    Dass Kalman mit achtzehn Jahren nach Fiume geschickt wurde, beruhte auf dem Umstand, dass Budapest mit seinem trockenen Festlandklima das denkbar schlechteste Milieu für eine Person mit Ichthyose bot. Als Kalmans Leiden in den späten Teenagerjahren immer schmerzhafter wurde – er litt besonders unter den offenen Wunden in den Kniekehlen und an den Armen –, empfahl der Hausarzt der Familie einen Umzug ans Adriatische Meer. Das Küstenklima mit seinen kühleren Sommern und milderen Wintern, das salzige Meer und die feuchte Luft würden ihm wirksamere Linderung von dem intensiven Juckreiz verschaffen als alle Feuchtigkeitssalben zusammen. Sie stellten sozusagen das beste Heilmittel gegen Ichthyose dar. Der Arzt hielt es für klug, wenn Kalman einen maritimen Beruf ergriffe. Er hatte selbst einen Neffen, der in Fiume lebte und an der berühmten königlich-ungarischen Seefahrtsakademie studiert hatte (Regia Ungarica Accademia Nautica).
    Kalmans Idol hieß Louis Blériot. Der Franzose war Ingenieur und Pionier der Luftfahrt. Im Juli 1909 überflog er in einem von ihm selbst konstruierten Flugzeug den Ärmelkanal von Calais nach Dover. Es handelte sich um einen Eindecker mit Drei-Zylinder-Anzanimotor von fünfundzwanzig Pferdestärken. Die Maschine hatte die Modellbezeichnung Blériot XI, weil sie die elfte Konstruktion war, die der Franzose gebaut hatte. Die siebenunddreißig Minuten währende Überquerung brachte Blériot nicht nur ein Preisgeld von eintausend Pfund ein, das die Zeitung Daily Mail in London für den ausgesetzt hatte, der als erster zwischen England und Frankreich flog, sondern auch Weltruhm. Das Modell XI legte den Grundstein zu einem Flugimperium mit Herstellung, Vorführung und Unterricht. Die Maschine wurde von allen Aviatoren der Welt kopiert und diente kommenden Flugzeugkonstrukteuren als Vorbild.
    Kalman las im Magyar Estilap einen Artikel über diesen führenden französischen Flieger. Der Artikel – und vielleicht mehr noch die Bilder von Blériot, auf denen er nach seiner geglückten Kanalüberquerung von Presseleuten und Bewunderern umringt ist – setzte seine Phantasie in Bewegung. Er träumte davon, Pilot zu werden. Er sah sich selbst in der Rolle des »Fliegenden Juden« und stellte sich vor, wie er das Mittelmeer überqueren und in Rishon LeZion landen würde, der ersten jüdischen Siedlung im Heiligen Land. Er rechnete damit, für seine Pionierleistung eintausend Pfund von der Daily Mail zu bekommen. Von dem Geld würde er ein eigenes Flugzeug bauen, die Spinoza XI.
    Fiume war Ungarns einziger Seehafen, ein buntes Sammelbecken ethnischer Gruppen: Kroaten, Serben, Slowenen, Italiener, Deutsche, Österreicher, Montenegriner, Zigeuner, Juden, Griechen und Albaner lebten Seite an Seite mit den Ungarn.
    Kalman fühlte sich wohl hier, auch wenn er den Fischgestank von der Konservenfabrik verabscheute, die nicht weit von seiner Wohnung entfernt lag. Zeugenaussagen erwähnen eine längere Beziehung zu einem kroatischen Mädchen, Silvia, der Tochter eines Vorarbeiters bei der Werft Ganz & Danubius. Gehemmt von allen erdenklichen katholischen Vorstellungen, soll sie sich indessen geziert haben, als er sie mit seinem Feuer bestürmte. Es war undenkbar für sie, vor der Ehe sexuellen Umgang zu pflegen. Somit konnte Kalman nur die Gunst genießen, die Freudenmädchen ihm gewährten.
    Das Studium an der Seefahrtsakademie war erfolgreich, er hatte die besten Noten in allen Fächern und galt als der Primus seines Jahrgangs. Um seine Kasse ein wenig aufzubessern, half er seinen Kommilitonen bei den Hausaufgaben. Er wollte viel Geld sparen, denn der Traum, ein eigenes Flugzeug zu konstruieren, verließ ihn nie. Doch sein großzügiges Wesen machte ihm einen Strich durch die Rechnung; wenn er mit seinen Freunden ausging, lud er sie alle ein.
    Kalmans erster Gedanke, wenn er am Morgen beim durchdringenden Stöhnen der Schiffssirenen erwachte, war, dass er Fiume von oben sehen, in der Luft schweben und die Erde unter sich betrachten

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