Das Elixier der Unsterblichkeit
solche Freude erlebt. Als das Flugzeug am Horizont verschwand, rannte er zu dem großen Tor. Dort drängten sich Menschen, die in fremden Sprachen redeten und ihn in die Seite stießen. Als er endlich am Eingang war, wurde er brüsk von einer Wache angehalten, die seine Eintrittskarte zu sehen verlangte. Der Eintritt zum Aerodrom kostete vier Lire. Er verfluchte den Halunken, der seine Brieftasche gestohlen hatte. Doch das half ihm wenig. Seine Taschen waren leer.
Er ließ sich jedoch nicht entmutigen und sagte sich, dass es keinen Sinn hatte, einfach stehen zu bleiben. Also ging er an der Außenseite des dunklen Zauns entlang, der das Flugfeld umgab. Er glaubte, er würde so am Ende zu den Hangars gelangen und einen Blick auf die Flugmaschinen werfen können. Einige Minuten später war es ihm möglich, die Schilder mit den Namen der Piloten zu lesen, die an den Vorführungen teilnahmen: Calderare, Curtiss, Pégoud, Voisin, Douhet, Fokker, Rusjan, Moore-Brabazon. Hinter geschlossenen Vorhängen standen die Maschinen. Er war erleichtert, als er auf dem letzten Schild den gesuchten Namen entdeckte: Blériot.
Kalman brauchte nicht lange zu warten. Der Vorhang wurde von einem Assistenten zur Seite gezogen, und er erblickte Blériot, der sich bereit machte, in den Sitz seines gelben Flugzeugs zu klettern. Er sah auch einen Mechaniker, der über den Motor gebeugt war, und einen zweiten, der an einem Propellerblatt hantierte. Etwas weiter entfernt standen drei weitere Mechaniker und beobachteten den Piloten erwartungsvoll. Als Blériot sich zurechtgesetzt hatte, signalisierte er dem Mechaniker, den Propeller anzuwerfen. Beim dritten Versuch sprang der Motor an und der Propeller begann zu schnurren. Kalman meinte, den Luftzug des rotierenden Propellers spüren zu können. Langsam rollte Blériots Flugzeug aus dem Hangar und verschwand hinter einem Holzhaus, auf das Aerodrom zu. Dort konnte Kalman es nicht mehr sehen. Nach einer Minute war die Maschine des Franzosen in der Luft, sie stieg auf eine Höhe von dreißig Metern und flog eine kleine Runde über den Tribünen, von Begeisterungsrufen des Publikums begleitet. Dann flog Blériot über das Feld, hinüber zu dem kleinen Wäldchen, und kehrte von dort in einem großen Kreis zum Aerodrom zurück. In den nächsten achtunddreißig Minuten flog er vier weitere Runden. Auf der fünften Runde verlor die Maschine außerhalb des Blickfelds des Publikums auf den Tribünen an Höhe, während sie die Hangars anflog. Kalman stand mit gerecktem Hals da und sah die Maschine in einer Höhe von ungefähr zehn Metern auf sich zukommen. Von der Sonne geblendet sah er nicht, dass Blériots Flugzeug genau über ihm ein Rad verlor. In der nächsten Sekunde sank Kalman mit zerschmettertem Kopf zu Boden.
Der Gewinner des großen Preises von Brescia 1912, der sich auf fünfzigtausend Lire belief, absolvierte sieben Runden und flog insgesamt fünfundsiebzig Kilometer in dreiundsechzig Minuten und elf Sekunden. Louis Blériot erhielt herzlichen Applaus und wurde als Held gefeiert, weniger wegen seines Sieges als wegen der Panne, die erst entdeckt wurde, nachdem er gelandet und vor der Tribüne zum Stillstand gekommen war: Sein Flugzeug hatte das rechte Rad verloren. Die dennoch perfekte und sichere Landung des Franzosen wurde als Heldentat betrachtet. Niemand außer Blériot wusste genau, wo das Rad abgefallen war.
Am Nachmittag fanden Vorübergehende hinter den Hangars einen jungen Mann in einer Blutlache liegend. Polizei wurde hinzugerufen, das Terrain wurde abgesperrt und einige Neugierige wurden fortgejagt. Rasch war auch ein Arzt am Platz und konnte feststellen, dass der zwischen zweiundzwanzig und fünfundzwanzig Jahre alte Mann mit gesunden Zähnen und einer gigantischen Nase offenbar von einem Flugzeugrad erschlagen worden war, das ein paar Meter von ihm entfernt lag. Der Arzt schloss mit der Spitze des Zeigefingers die Lider des Toten, der mit weit aufgerissenen Augen gestorben war. Die Polizei hatte keine Möglichkeit, die Identität des Mannes festzustellen, da er keine Papiere bei sich trug. Der einzige Hinweis, auf den man stieß, waren zwei kleine, säuberlich in seine Jacke und Hose eingenähte Stoffetiketten: Elemér Polgár, Herrenschneiderei, Váczistraße, Budapest.
KOMMISSAR BUSSOLI
Am späten Abend wurde Louis Blériot von Enrico Bussoli, dem Polizeikommissar von Brescia, zu dem Unglück mit dem verlorenen Rad vernommen. Der Pilot bedauerte den Tod des jungen Mannes und
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