Das Elixier der Unsterblichkeit
er seine Gedanken mit niemandem, denn er wusste, dass man ihn nicht verstehen würde und dass eine Scheidung undenkbar war. Auch war ihm daran gelegen, seine Ehe nach außen hin glücklich erscheinen zu lassen, insbesondere vor dem König, der den Juden gegenüber so großzügig gewesen war und seine schützende Hand über sie hielt.
Marianne fühlte sich mehr und mehr verschmäht. Zunächst glaubte sie, Baruch leide an einer Krankheit, von der sie nichts wusste, aber aus Feingefühl unterließ sie es, ihn zu bedrängen. Voller Begehren näherte sie sich ihrem Mann, päppelte ihn mit Erdnüssen und gekochten Schafshoden – einer Spezialität, die ihrer Mutter zufolge ein wirkungsvolles Potenzmittel war. Aber nichts schien seine Begierde wecken zu können.
Eines Tages, als Baruchs Kälte immer unerträglicher wurde, forderte sie ihn ohne Umschweife auf, einen Trank herzustellen, der auf gewisse Teile des menschlichen Körpers eine wohltuende Wirkung hätte. Da sie nicht mehr in der Lage war, seiner Männlichkeit Leben einzuhauchen, dachte sie dabei vor allem an jenes Organ, das sie kichernd die einäugige Schlange nannte. Aber Baruch antwortete, er lehne es ab, einen solchen Trank zuzubereiten.
Der Schmerz darüber, nicht mehr begehrt zu werden, und eine immer stärker werdende Sehnsucht nach körperlicher Berührung raubten Marianne den Schlaf und nahmen ihr den Appetit. Die Wochen vergingen, und sie wurde immer verzweifelter. Schließlich konnte sie mit ihrem Liebeskummer nicht mehr an sich halten. Sie ging zu ihrer Mutter, obwohl sie wusste, dass diese ein Klatschweib war und ihre Zunge schärfer als ein Reibeisen. Eindringlich bat sie die Mutter, niemandem ein Wort von dem zu erzählen, was sie ihr anvertrauen wolle. Die Mutter schwor hoch und heilig, zu schweigen, was in ihrem Fall fast einer Garantie gleichkam, dass sich der Tratsch wie ein Lauffeuer verbreiten würde. Marianne eröffnete ihrer Mutter unter Tränen, dass sie in den letzten Monaten keinerlei eheliche Freuden habe genießen können. Der einzige Rat, den die Mutter ihr gab, war der, ihren Mann zum Hahnrei zu machen. Aber auf dem Ohr war Marianne taub.
Bereits am selben Nachmittag machte in den jüdischen Kreisen Lissabons ein Gerücht die Runde. Es ging unter den Frauen von Mund zu Mund und wurde unermüdlich mit neuen Details ausgeschmückt. Dem boshaften Klatsch zufolge hatte der Leibarzt des Königs mit seinen Kräuterexperimenten den Zorn des Teufels geweckt. Der Leibhaftige ließ in Baruchs Körper eine eisige Kälte fahren, die ihn unheilbar impotent machte und sein Glied austrocknen und einschrumpfen ließ. Gleichzeitig habe, so das Gerücht, der Fürst der Finsternis in Mariannes Schoß ein unauslöschliches Feuer entfacht, sodass sie vor Begierde brannte und jeden Tag fünf Männer zwischen ihren Schenkeln brauchte, um des Nachts Ruhe zu finden.
Bald kannten alle Juden der Stadt die Geschichte des Paares de Espinosa. Manche machten sich lustig darüber, dass Baruch jeden Tag von seiner Frau betrogen wurde. Anderen tat er leid. Ein paar Frauen waren auch eifersüchtig auf Marianne. Niemand zweifelte indessen am Wahrheitsgehalt des Gerüchts, denn es entsprang ja einer sicheren Quelle.
Das bösartige Gerede drang auch an Baruchs Ohr. Er wurde aschfahl und fühlte sich unendlich gekränkt. Das also war der Dank dafür, dass er in Lissabon eine jüdische Gemeinde errichtet hatte. Er spie auf den Boden und bereute einen Augenblick lang, beim König die Erlaubnis erwirkt zu haben.
Bald aber richtete sich sein Zorn gegen Marianne. Er hatte sie im Verdacht, sich bei ihrem Onkel Montefiori beklagt zu haben, diesem heuchlerischen Rabbi, der seiner Gemeinde Moralpredigten auftischte, selbst aber ein verkappter Hurenbock war. Baruch glaubte, der Rabbi habe den Gerüchten Nahrung gegeben. Zugleich tat ihm Marianne ein wenig leid, denn er stellte sich auch vor, dass hiernach kein jüdischer Mann in Lissabon sie ohne Hintergedanken würde ansehen können.
Eine Weile überlegte er, ob er den Juden in der Stadt zeigen sollte, wo die Grenze war, sah jedoch schnell ein, dass es schon zu spät war und ein böser Ausfall die Lage nur verschlimmern würde. Am Ende sah er keinen anderen Weg, als um seiner eigenen Ruhe und Position und der Sicherheit und Zukunft seiner Familie willen seinen Stolz hinunterzuschlucken und so zu tun, als wäre nichts gewesen. Bei alledem wurde ihr erstes Kind in Mariannes Bauch immer größer und stärker und wartete
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