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Das Elixier der Unsterblichkeit

Das Elixier der Unsterblichkeit

Titel: Das Elixier der Unsterblichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabi Gleichmann
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erschienen und in ein vielstimmiges Drama verwickelt waren. Zu hören, wie Baruch mit Hilfe eines Kräutersuds den ältesten Sohn des portugiesischen Königs wieder zum Leben erweckt hatte, oder wie Chaim ein Gift mischte, das Sultan Muhammed II. den Tod brachte, erfüllten meinen Großonkel eher mit heiterem Entzücken denn mit Skepsis.
    Manchmal befielen ihn dennoch Zweifel am Wahrheitsgehalt der Erzählungen. Bei anderen Gelegenheiten warf er sich selbst vor, dass er sich den Kopf mit diesen Anekdoten hatte vollstopfen lassen – sämtlich phantasieanregend, doch keine plausibel – und diese Spinozas nicht mehr aus dem Sinn bekam. Manchmal revoltierte er gegen seine selbstauferlegte Rolle als passiver Zuhörer dieser Familiengeschichte, die nicht seine eigene war. Dann machte er Umwege an Frombichlers Tisch vorbei und setzte sich in einen anderen Teil der Bierstube, um mit einem der russischen Emigranten Schach zu spielen. Doch es dauerte niemals lange, und bald saß er wieder am Tisch seines Freundes. Zu sehr faszinierte ihn der Widerschein vergangener Zeiten und Welten, an denen er selbst keinen Anteil hatte, die ihn aber auf wundersame Weise, so bildete er sich jedenfalls ein, näher zu Sara führten.
    Keine der früheren Geschichten Frombichlers war vergleichbar mit der von Salman de Espinosa, und sie weckte bei meinem Großonkel die widersprüchlichsten Gefühle. Er war nicht in der Lage zu beurteilen, ob es sich dabei um Phantasie oder Wirklichkeit handelte. Vieles sprach dafür, dass die Geschichte erdichtet war, einfach ein Ammenmärchen. Anderseits hatte er von wunderlichen Geschehnissen reden hören und sogar selbst eine Reihe von ungewöhnlichen Dingen erlebt, die keins der bekannten Naturgesetze zu erklären vermochte. Er war überzeugt, dass es Mysterien gab, die das Maß menschlicher Erkenntnismöglichkeit übersteigen.
    Er betrachtete den Freund mit forschendem Blick. Dann erhob er sich, um sich nach vier Seideln Bier und fünf Stunden unablässigen Zuhörens des Drucks zu entledigen, der ihn schon eine Weile geplagt hatte. Er stürmte auf die Toilette und begab sich danach nach Hause, ohne sich zu verabschieden. Draußen auf der Straße fasste er den Entschluss, der Sache auf den Grund zu gehen, koste es, was es wolle, in alten Dokumenten zu graben, die Wahrheit zu suchen, alles herauszufinden, was es über Salman de Espinosa zu erfahren gab.
AUßERHALB DER CHRONOLOGIE
    Ich weiß nicht, welche Kraft mich treibt, doch ich habe mich erneut vom Strom der Assoziationen mitreißen lassen und den Faden der Erzählung verloren, was es für Leser schwierig machen könnte, mir zu folgen.
    Ich will versuchen, den Lebenslauf eines Mannes aus jenem Teil des 14. Jahrhunderts zu beschreiben, da Granada noch von den aufgeklärten maurischen Herrschern regiert wurde, bis zu seinem Tod an einem Freitagabend – mehr als dreihundertfünfzig Jahre später in Freiburg im Breisgau, wo er seine Person auslöschte. Die letzten Tage seines Lebens hatte er bei seinem Verwandten Benjamin Spinoza verbracht und ihm all sein Wissen und alle Geheimnisse anvertraut, die er während seines langen und unsteten Daseins mit sich herumgetragen hatte.
    Sein Name war Salman de Espinosa. Er war ein untersetzter und kraftvoller Mann mit einer unfassbar großen Nase, neugierig und fröhlich, diskussionsfreudig und reich an Wissen, mit einem so energischen Gang, dass ihm der Lehm bis an die Schultern spritzte. Er bewegte sich niemals zu Pferde, er ging immer zu Fuß, häufig sogar zwölf bis vierzehn Stunden am Stück, ohne müde zu werden. Vielleicht war das der Grund, warum man ihn den Wandernden Juden nannte.
    Wahrscheinlich hätte mein Großonkel keine ernsten Einwände, wenn ich damit beginne, von Salmans kompliziertem Hintergrund zu erzählen, denn die merkwürdigen Umstände, die dazu führten, dass der Wandernde Jude früh gezwungen war, seine Heimatstadt Granada zu verlassen, hatte er uns unzählige Male und bis ins kleinste Detail beschrieben.
EINE KINDHEIT IN GRANADA
    Salmans Vater, der jüdische Kabbalist Moishe de Espinosa, lebte – beschützt und finanziell unterstützt vom Sultan – ein isoliertes Leben in Granada, wo er die Mysterien des Universums und des Schöpfers erforschte. Sein hinterlassenes Werk,
Sefer ha-Zohar
(Das Buch vom Strahlenglanz), mit seinen kühnen Beobachtungen und poetischen Formulierungen, um die ihn nicht nur Mystiker beneiden, verblüfft noch heute Religionsforscher in aller Welt.
    Salmans Mutter

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