Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Elixier der Unsterblichkeit

Das Elixier der Unsterblichkeit

Titel: Das Elixier der Unsterblichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabi Gleichmann
Vom Netzwerk:
der Wahrheit, nach all dem, was der Humor unserem Leben zu schenken vermag. Statt zu trauern, zog er mit der Feder in den Kampf gegen den immer lauter auftretenden Faschismus. Es vermittelte ihm ein Gefühl von Heiterkeit, dieselben Hände, die vor einigen Jahren am Bahnhof Koffer getragen und später bunte Girlanden aus dem Clownshut gezogen hatten, jetzt Artikel schreiben zu sehen, die unter der Signatur Scharfrichter auf der ersten Seite der Arbeiter-Zeitung veröffentlicht wurden. Das Leben hatte einen Duft von Widerstandskampf und den Wind der Freiheit. Das machte ihn noch kühner. Seine Artikel kreisten um die Frage, wie der Nationalsozialismus bekämpft werden solle. Er strahlte Selbstsicherheit aus. Da er Gramsci im Gepäck mitführte, wusste er, wie der Widerstandskampf geführt werden musste.
    Gleichzeitig beschäftigte er sich mit einer Arbeit über die spanische Inquisition. Sein Interesse daran war von Mathäus Frombichler geweckt worden, der jetzt in Berlin lebte, wohin sein Freund ihn gerufen hatte.
    Adi hatte nach langjährigem Kampf sein Ziel erreicht. Dem temperamentvollen Österreicher mit dem Steingesicht und der albernen Stirnfranse war es gelungen, die Deutschen davon zu überzeugen, das Schicksal der Nation in seine Hände zu legen. Er war Reichskanzler und fütterte die Menschen mit seinen aggressiven Reden über die Unbesiegbarkeit der Germanen und ihre bevorstehende Herrschaft in Europa. Millionen Menschen hatten blindes Vertrauen zu dem neuen Führer und huldigten ihm mit Begeisterungsgebrüll.
    Aber es mangelte Adi auch nicht an Feinden. Er war an verbale Attacken von Seiten der Juden und Linksdemokraten gewöhnt. Doch diesmal war es anders. Ein Astrologe seines Vertrauens hatte ihn vor einer geplanten Verschwörung gewarnt, deren Ziel es war, ihn aus dem Weg zu räumen. Der Vorhersage der Kristallkugel zufolge sollte der Führer in seiner Küche sterben. Adi folgerte daraus, dass jemand versuchen würde, sein Essen zu vergiften. Er gehörte nicht zu denen, die leicht zu ängstigen waren, doch er nahm die Drohung äußerst ernst und ergriff auf der Stelle Gegenmaßnahmen. Er stellte sich auf strikt vegetarische Kost um und lebte ausschließlich von grünen Salaten. Gleichzeitig forderte er seinen alten Freund Frombichler auf, seine Stelle als Küchenchef im Hotel Imperial aufzugeben und sein privater Koch zu werden.
    Unter Frombichlers Vorfahren gab es einen mysteriösen Mann mit Namen Salman de Espinosa, der im Mittelalter in Spanien gelebt hatte und acht Tage lang ununterbrochen von katholischen Folterknechten misshandelt worden war, ohne dass es ihnen gelang, seinen Widerstand zu brechen. Wie Hitler pflegte auch die Inquisition die Juden für alles Unglück und für alles Böse auf der Welt verantwortlich zu machen. Ein Teil der Juden in Spanien floh; diejenigen, die blieben, wurden Opfer von Verfolgungen.
    Mein Großonkel war fasziniert von der Geschichte des Salman de Espinosa. Er sah eine deutliche Parallele zwischen Spanien im 15. Jahrhundert und dem gegenwärtigen Deutschland. Er erkannte, dass das Schicksal der Juden besiegelt war. Es war alles nur eine Frage der Zeit. Der Horizont verfinsterte sich.
NACH DEM ANSCHLUSS
    Am frühen Morgen des 12. März 1938 sandte ein deutscher Agent vom Hauptpostamt in Wien ein Telegramm mit der Bitte um militärische Hilfe nach Berlin. Ein paar Stunden später rollten Hitlers Panzer über die Grenze. Die Straßen waren von fahnenschwenkenden Kindern und Erwachsenen gesäumt, die die Eindringlinge willkommen hießen. Ohne dass ein Schuss abgegeben werden musste, wurde Österreich besetzt und dem nationalsozialistischen Deutschland einverleibt.
    Nach dem sogenannten Anschluss, der Machtübernahme der Nazis in Österreich, wurden alle politischen Parteien außer der nationalsozialistischen verboten, und viele Freunde meines Großonkels wurden festgenommen.
    Er schickte Elsa und die Mädchen nach Budapest, um sie vor Unheil zu schützen. Er selbst blieb in Wien und schrieb weiter über die spanische Inquisition als Vorläuferin des Nationalsozialismus.
    David Steinkeller war rumänischer Staatsbürger und einer der ersten, die einen Deportationsbefehl erhielten. Der Text war vage und bürokratisch in den Formulierungen, aber exakt in den Details, wo er sich einzufinden habe und was er mitnehmen dürfe. Steinkeller gab einen Brief an die Gestapo in die Post, in dem er erklärte, dass er drei Jahre nach den Nürnberger Gesetzen, deren Bedeutung

Weitere Kostenlose Bücher