Das Elixier der Unsterblichkeit
plötzlich verließ sie den Markt, bog in die Calle Moisés ein und verschwand in einem Haus mit Steinfassaden, die von Wohlstand zeugten. Als er versuchte, ins Haus zu gelangen, war das Tor verschlossen.
Am Freitagabend fand der liebestolle Adelsmann erneut den Weg in die Calle Moisés. Er schlich auf Zehenspitzen um das Haus herum und spähte durch die Fenster, um einen Blick auf die Schöne zu erhaschen. Das Haar zu einem festen Knoten aufgesteckt, saß sie festlich gekleidet an einem gedeckten Tisch, umgeben von ein paar alten Menschen, einem leicht buckligen Mann und vier Kindern unterschiedlichen Alters, offensichtlich ihrer Familie. Sie aßen ungesäuertes Brot, tranken Rotwein und sangen mit frohen Gesichtern. López Alba verstand, dass er bei dieser Frau Befriedigung nur mit den Augen und in seiner Phantasie finden würde, statt – wie er sich vorgestellt hatte – seine Hände in ihre Pobacken zu vergraben, während er in sie eindrang. Er fühlte sich getäuscht, und Wut flammte in ihm auf. Er verspürte Lust, in das Haus einzubrechen und sich auf die Frau zu stürzen. Was ist das für eine Judenfotze, dachte er, auf der Straße läuft sie bei Tage ohne Scham herum wie eine feurige Hure, entblößt große Brüste und einen vollen Hintern, um christliche Männer anzulocken, und am Abend hüllt sie sich von Kopf bis Fuß in dunkles Tuch und spielt keusche Madonna und liebende Judenmutter, um sich danach bis zum Morgengrauen wollüstig mit diesem Krüppel im Bett zu wälzen. Der cholerische Adelsmann warf einen großen Stein durch das Fenster, brüllte ein paar Schimpfworte und eilte davon.
Er begab sich zu Freunden, die sich den Abend beim Kartenspiel vertrieben, und erzählte ihnen, er sei auf dem Weg zur Messe in der Kathedrale gewesen, habe sich jedoch, tief versunken in religiösen Gedanken, verlaufen und schließlich in La Judería wiedergefunden, wo er mit seinen eigenen Augen gesehen habe, wie die Juden das Sakrament der heiligen Mutterkirche entehrten, ein unschuldiges Christenkind geschlachtet und dessen Blut getrunken, Lieder zum Lobpreis des Satans gesungen, über Christi Leiden gelacht und sich zum Hohn Kruzifixe in den Hintern geschoben hätten.
Einer der kartenspielenden Freunde, der Priester Alonso Adejo, schlug mit der Faust auf den Tisch und brüllte: »Basta, jetzt muss Schluss sein mit der Schamlosigkeit der Juden. Was fällt ihnen ein, den christlichen Glauben zu dieser Stunde zu verhöhnen, da unsere Gedanken bei Jesus Christus am Kreuze sind? Wir können nicht einfach hier sitzen und das akzeptieren. Es muss etwas passieren.«
Er sah es als seine priesterliche Aufgabe, all diejenigen auszurotten, die nicht an die christliche Lehre glaubten und ihre Kinder nicht taufen ließen.
DAS ERSTE POGROM
Der König und der Erzbischof von Sevilla waren bekannt für ihre Judenfreundlichkeit. Als sie erfuhren, dass Adejo mit seinen Äußerungen eine stark antisemitische Stimmung geschaffen hatte, handelten sie schnell. Während der Priester in seiner Kirche ein Verdammungsurteil gegen die Juden aussprach, unterstrich der Erzbischof in seiner Predigt in der Kathedrale, dass das Christentum eine Religion sei, die Barmherzigkeit und Nächstenliebe hochhalte, und also sei es die Pflicht eines jeden Christen, Toleranz auch gegenüber den Juden zu zeigen. Sobald dem König die Gerüchte zu Ohren gekommen waren, dass Adejo eine Schar von Freiwilligen um sich versammelt habe, eine erschreckende und zügellose Armee, die plane, auf die Juden loszugehen, ließ er um La Judería eine Sicherheitsgarde aufstellen.
Doch das half wenig. Adejo weckte größeren Widerhall bei den Menschen als die Botschaft des Evangeliums, und die Lanzen und Schwerter der Garde vermochten Sevillas Juden nicht zu verteidigen.
Salman konnte nur schwer einschlafen. So waren die Nächte immer gewesen, alle Nächte seines Lebens, alle Nächte, in denen er wach gelegen hatte, erfüllt von Angst, sich in einem Dunkel weit in der Ferne zu verlieren, in einer ewigen Nacht. Er atmete zaghaft, lag reglos und horchte misstrauisch auf die fernen Geräusche der Straße in der tiefen Nacht. Ihm war, als hörte er das Dröhnen im Gleichschritt marschierender Truppen. Nach einer kurzen Stille war das Geräusch wieder da, und er konnte die Worte »Feuer« und »Blut« heraushören. Er stellte sich ans Fenster und erkannte schwarz gekleidete Gestalten auf der Straße. In ihren Händen blitzten Schwertklingen, Säbel, Stilette und zweischneidige
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