Das Ende aller Tage
Ihrerseits. Wir sind davon überzeugt, daß er an alles glaubt, was er sagt. Aber sehen Sie, er kann die galaktische Sprache nicht sprechen, weil sie in ihm ausgelöscht wurde, als seine Feinde ihm unser Idiom eintrichterten.
Das ist, nach Ishrail, nur die geringere Hälfte des Verbannungsurteils. Exilierte Personen dürfen nur auf Planeten ausgesetzt werden, die der galaktischen Föderation nicht angehören, Planeten, die zu primitiv sind, um mehr als Anfänge dessen zu entwickeln, was er ›mechanische‹ Raumfahrt nennt. Dort müssen sie unter feindlichen Eingeborenen überleben, so gut sie eben können. Mit anderen Worten: Bergharra und die Erde sind nichts anderes als Ishrails Vorstellung einer galaktischen Hölle.«
»Warum finden Sie das so bemerkenswert?« fragte Davi.
»Warum? Weil es nur zu offensichtlich die Konzeption eines krankhaften Schuldgefühls ist. Ein von diesem Schuldgefühl gequälter Geist versucht sich selbst zu bestrafen, indem er sich alle möglichen Qualen und Leiden auferlegt. Mit diesen Komplexen aus Schuld und Strafe werden wir hier immer wieder konfrontiert.«
Bevor Davi sich soweit erholen konnte, daß er zu einer Antwort fähig war, stand Uott auf, strich sich über die Glatze und sagte: »So sieht der Fall Ishrail aus, Dael. Ihr Freund ist ein kranker Mensch, vom Verfolgungswahn gezeichnet. Vielleicht verflachen die Symptome im Laufe langjähriger Behandlung, aber wie die Dinge jetzt liegen, ist er gefährlich, ja hoffnungslos unausgeglichen. Es gibt kaum ein Krankheitssymptom, das nicht in schwererer oder leichterer Form vertreten wäre. Und wir haben unsere Untersuchungen noch nicht abgeschlossen. Behandlungen dieser Art erfordern Zeit und Geduld.«
»Geben wir der Polizei noch ein wenig Zeit für ihre Nachforschungen«, sagte der Erzbruder zufrieden, »und es sollte mich nicht wundern, wenn er sich als gewöhnlicher Mörder entpuppt.«
Armer Ishrail! Du ein gewöhnlicher Mörder! Die feindlichen Eingeborenen haben dich mit ihren Netzen gefangen! Du hättest fünfzig Millionen Jahre früher kommen sollen – die Neandertaler hätten mehr Verständnis gezeigt, mehr Mitleid!
Davi hob seine Hände vors Gesicht. Das Blut rauschte in seinen Ohren wie ein Wasserfall. Einen Augenblick lang dachte er daran, sich auf Inald Uott zu stürzen. Dann senkte sich Hoffnungslosigkeit über ihn. Er ließ die Hände sinken.
»Ich muß Ishrail sprechen!« sagte er dumpf.
»Das ist nicht möglich«, antwortete Uott. »Wir mußten ihn in eine Beruhigungszelle überführen; er drohte gewalttätig zu werden.«
»Wundert Sie das?« fragte Davi. Mit steifen Fingern knöpfte er seinen Überrock zu. Der Erzbruder und Schansfor standen Seite an Seite vor dem flackernden Kaminfeuer und warteten, daß er ginge. Davi stand geschlagen vor ihnen, der einzige Mann, der an Ishrail glaubte, und er wußte nichts mehr zu sagen. Schließlich seufzte er auf und wendete sich zum Gehen. Er sah die welke Butterblume an seiner Brust; wie mußte sie diese Leute amüsiert haben!
Plötzlich sah er die geplante Grausamkeit von Ishrails Exil, die Bitterkeit, unter Menschen zu sein, die kein Verständnis hatten.
»Ich werde zu den Nachrichtenleuten gehen und sehen, ob sie mir helfen werden!« sagte er resolut.
»Sensationen und Gefühlsduseleien sind das richtige Fressen für die«, erwiderte der Erzbruder zynisch, aber Davi war schon gegangen.
Er suchte sich seinen Weg von Bord des Schiffes und ging stadteinwärts. Ein kalter Wind fuhr ihm entgegen, und es fiel ihm ein, daß er seinen Pelzmantel irgendwo im Schiff liegengelassen hatte. Nun war es zu spät, um noch einmal umzukehren. Über ihm schienen die Sterne durch abziehendes Gewölk.
Das Zeitalter der Sterne
Niemand weiß, wie oft die Geschichte durch ein scheinbar geringfügiges Ereignis verändert worden ist. Das Gesicht des Schicksals ist verschleiert. Dael – und durch ihn die Erde – waren vom Schicksal begünstigt. Er fand Männer, die ihm glaubten und die wie er dachten, daß man Ishrail eine Chance geben sollte. Durch ihren vereinten Druck wurde Ishrail befreit. Er wurde – wenn auch nicht von allen – als verständiger Mensch behandelt, seine Geschichte wurde geglaubt. Die Schilderung seines Lebens, wie er s ie gegeben hatte, wurde zu einem der kostbarsten Dokumente der Menschheit, zu einem Leuchtfeuer der Hoffnung.
So kehrte der wandernde Mensch zur Erde zurück. Ishrail, obwohl er es nicht wußte, war ein ferner Abkömmling jener wenigen
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