Das Ende Der Ausreden
auf mich ausschließlich Liebe wartet. Und zwar eine Liebe, die keinerlei Bedingungen stellt.
Ich liebe dich. Punkt. Einfach, weil es dich gibt und ich mich darüber freue, dass du hier bei mir, bei uns bist. Du musst dich nicht anstrengen und nichts Besonderes machen, denn du bist so, wie du bist, genau richtig. Was auch immer du tust, wie auch immer du dich entwickeln wirst: An meiner Einstellung zu dir wird sich nichts ändern, darauf kannst du dich – immer immer immer! – verlassen. Die Liebe zu dir ist dein Geburtsrecht, sie steht dir von Anfang an zu, du musst sie dir nicht erarbeiten. Um keinen Zweifel aufkommen zu lassen: Dein Recht ist uns keine Pflicht, es ist uns eine tiefe Freude, denn wir waren diejenigen, die dich ins Leben gewünscht haben. Wir haben nach dir gerufen in unseren Träumen. Und jetzt bist du da, und das macht uns reich und froh.
Nehmen wir einmal an, dass ein Kind diese Grundbotschaft immer wieder hören, spüren, schmecken und erleben würde, dass dies die verlässlich wiederkehrende Begleitmelodie seiner ersten Lebensjahre wäre. Das Morgengebet und das Schlaflied. Dann würde das Kind Liebe zu sich selbst aufbauen, die ebenfalls nicht an Bedingungen geknüpft ist. Es würde sich selbst mögen und wertschätzen können, ganz in der Tiefe, ohne jede Einschränkung oder Fragezeichen. Das Kind würde ein Bild von sich selbst aufbauen, in dem es makellos und der Liebe wert ist. Es würde gut von sich selbst denken. Richtig gut. Es wäre später nicht nötig, Selbstbewusstsein vorzutäuschen, es gäbe keinen Grund für Angabe oder Tiefstapelei – dieses Kind muss nichts kompensieren. Das Selbstvertrauen wäre glaubwürdig und echt, stabil und nicht zu erschüttern.
Das ist die Idee einer paradiesischen Kindheit.
Wenn man mit Menschen über diese Idee spricht, bleibt kaum eine Miene unbewegt. Bei (jungen) Eltern sieht man oft, wie sie sich besorgt die Frage stellen, welche Grundbotschaft sie wohl ihren Kindern geben oder gegeben haben. Die meisten gehen innerlich zurück in ihre eigene Kindheit und gleichen nachdenklich, manchmal auch schmerzlich ab. Viele sehen unangenehm berührt aus. Der schnell aufkommende Einwand, dass das doch gar nicht möglich sei – was stimmt! -, klingt wie ein Vorwurf, unwirsch, genervt. Der Tonfall lässt ahnen, wie provozierend der pure Gedanke ist. Weil er mit dem eigenen Erlebten kollidiert. Und ehe ich das an mich heranlasse, werte ich lieber die Idee ab (Unsinn!! Geht doch gar nicht!) oder versuche zu belegen, dass eine ausschließlich liebevolle Erziehung die Kinder zu egoistischen Monstern machen würde. Immer einmal seufzt auch jemand und sagt: »Wäre das schön gewesen!«
Tatsächlich wird durch diese Fantasiereise eine Wunde berührt. Die Wunde, die wir mit der Vertreibung aus dem Paradies erleiden müssen, die keinem erspart bleibt, die uns allen gemeinsam ist. Denn es gibt keine Kindheit, die nur bedingungslose Liebe atmet. Aber wir alle haben uns danach gesehnt. Und die Differenz als Schmerz erlebt.
Gehen wir den Gedanken gleichwohl noch ein paar Schritte weiter. Wenn ein Kind in einem Klima unbedingter Liebe aufgewachsen wäre und daher voller Liebe zu sich selbst, dann ginge es mit einem Schutz durch die Welt, einer Glückshaut wie im Märchen.
Das Gefühl eigener Schönheit etwa hat wenig mit einer »objektiven« Schönheit zu tun, sondern damit, wie sich die Menschen selbst ansehen. Dies wiederum findet seinen Anfang darin, in welchen Augen sie sich als Kinder gespiegelt haben. Viele Frauen, mögen sie noch so bildschöne, bezaubernde kleine Mädchen gewesen sein, können ihr Leben lang nicht den kritischen Blick abschütteln, der auf ihnen ruhte. Wenn sie in den Spiegel schauen, sehen sie sich selbst, ohne dass sie es merken, mit den Augen ihrer Mutter an und finden immer etwas, das nicht stimmt. Haben die Kinder aber vor allem in wohlmeinende Augen geschaut, haben sie sich ganz von Liebe umhüllt gefühlt, so werden sie sich schön finden. Ihre ganz eigene Schönheit steht gar nicht infrage, sie sind in ihrem Körper zu Hause. Sie gehen gerade und aufrecht, ziehen keine Schultern ein, machen sich weder kleiner noch größer. Sie sind, was sie sind – und zwar gerne.
Wenn ein solches Kind nun in Situationen käme, für die es noch keine Rezepte hat, wie man sie erfolgreich bewältigt, dann würde es vermutlich eine erhöhte Aufmerksamkeit spüren, eine Spannung, Konzentration und Neugierde. Und dann würde es ausprobieren, was am
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