Das Ende Der Ausreden
wir uns die Zähne ausbeißen. Wer es mit ihm aufnehmen will, braucht langen Atem. Und darf sich auf keinen fairen Kampf einstellen, dem Ego ist jedes Mittel recht.
Besonders clever finde ich persönlich die Methoden, mit denen das Ego organisiert, dass wir immer wieder beim »Womit wieder einmal bewiesen wäre!« landen. Wenn wir Erfolg haben mit unserem Repertoire, bestärkt es sich selbst. Wenn wir, was ja immer einmal vorkommt, ins andere Extrem rutschen, dann geht das meist dermaßen schief, dass es als Alternative auch künftig nicht in Betracht kommt. So bekommt ein Mensch, der zu lange Ja und Amen sagt, wenn er Nein meint, früher oder später einen Wutanfall und schreit dem, der gerade da ist, ein XXL-Nein entgegen. Oft ist das dann wirklich überzogen oder trifft den Falschen. Dann setzt ein Katzenjammer des schlechten Gewissens ein. Wenn wir eine leichte Variation versuchen, und die funktioniert nicht sofort – dann ist auch das ein Beweis, dass die alte Methode immer noch die beste ist.
Ein Klient erzählte mir neulich seinen Plan: Er würde demnächst in den Meetings nicht mehr die Rolle übernehmen, alles zielorientiert voranzutreiben, das könnten ja auch mal andere tun. Keine schlechte Idee, es würde ihm Luft geben und den anderen, die sich seinem Tempo oft nicht gewachsen fühlen, auch. Im nächsten Meeting probierte er es aus. Genau eine halbe Stunde hielt er es durch. Dann hatte er festgestellt, dass es nicht so lief, wie er es sich vorstellte. Und griff steuernd ein. Worauf alle sowieso längst gewartet hatten. »Wenn ich es nicht mache, dann läuft es eben leider nicht!«, fasste er bedauernd zusammen. Es fiel ihm schwer, zu erkennen, wie er gerade ein altes, ritualisiertes Spiel weiter stabilisiert hatte. Eins zu null fürs Ego.
Besonders folgenreich ist dieser Aspekt des Ego-Systems, indem er verhindert, dass frühe Wunden heilen und unsere tiefen Sehnsüchte sich erfüllen können. Stattdessen sorgt er dafür, dass sich am Ende unsere Ängste bewahrheiten, wir kommen oft genau in den Schlamassel, dem wir entrinnen wollten. Wir wollten auf keinen Fall, nachdem wir ohne Vater aufgewachsen sind, eine alleinerziehende Mutter sein – und dann kommt es doch so. Wir wollten unbedingt eine Ehe führen, die von Partnerschaft und Respekt geprägt ist, nachdem es uns so gestört hat, wie unsere Mutter den sanften Vater dominiert hat. Und plötzlich stehen wir in unserer Küche und merken, wie wir einem Mann, dessen Passivität uns zum Wahnsinn treibt, Vorschriften machen.
»Ich will dich lieben und ehren …«: Partnerwahl als Symptom
Ein Kernthema des Ego-Systems ist die Wahl unseres Partners. Partnerschaft ist im günstigen Fall ein Versuch der Selbstheilung. Oft wird sie ungewollt zu einer Art Programm zur Verhinderung persönlicher Entwicklung, und zwar für beide Beteiligten. Ich suche mir den Partner, mit dem ich mich genau nicht weiterentwickeln muss. Sondern der mir erlaubt, mich so auf ihn, seine Stärken und seine Defizite zu konzentrieren, dass ich meine eigenen Potenziale und Lernfelder jahre- oder jahrzehntelang übersehen kann.
Eine Frau wirft ihrem Mann vor, dass er nicht sorgsam mit ihren Gefühlen umgehe, in schwierigen Situationen unsensibel, fast grob sei. Er bemerke gar nicht, wenn es ihr schlecht gehe, sobald sie seinen Trost suche, entziehe er sich. Das wird vielleicht so sein und seine Gründe in der Geschichte des Mannes haben. Eine wichtige Frage an diese Frau wäre dennoch: Wie gut und sorgfältig geht sie selbst mit ihren Empfindungen um, ist sie aufmerksam mit sich selbst und ihrem Körper, achtet sie auf Signale und passt gut auf sich auf? Ist das Verhalten des Partners vielleicht ganz ähnlich dem, das sie sich selbst gegenüber an den Tag legt? Solange sie sich über ihn aufregt, fällt das gar nicht groß auf. Er ist ja viel schlimmer.
Darunter wartet eine andere Frage: Darf sie Trost bekommen, darf sie sich wirklich in Geborgenheit fallen lassen? Oder muss sie sich das (noch) verbieten, weil es ihr – aus irgendwelchen Gründen – nicht zusteht? Wenn diese Frage zu bejahen wäre, dann ist die Prognose für eine persönliche Entwicklung beider in dieser Partnerschaft schlecht. Dann helfen sich die Partner gegenseitig, frühe Wunden offen zu halten.
Mit einem Mangel an Liebe zu mir selbst mache ich ein Beziehungsangebot, das dem entspricht. Schlechte Aussichten. Aber nicht gänzlich aussichtslos: Ich kann beginnen, die Freundschaft zu mir selbst zu erneuern und
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