Das Ende Der Ausreden
und Lebenstüchtigkeit erachten. Für sie ist es viel anstrengender, eine aus ihrer Sicht notwendige Konfrontation zu vermeiden, als sie einzugehen. Sich mit der eigener Verletzbarkeit und den eigenen Sehnsüchten auseinanderzusetzen, ist viel bedrohlicher, als mit Haien zu tauchen. Zu sehen, dass sie sich – mit dem Gefühl, gerecht zu sein – oft ihr Leben lang rächen für früh erlittene Ungerechtigkeit, ist eine emotionale Zumutung. Dennoch handeln sie oft nach dem Motto »Rückennummer merken und weiterspielen«.
Ihre Weiterentwicklung setzt genau hier an, und der Mut, den sie brauchen, um sich ihren zarten Seiten zu nähern, ist groß. Sie müssen das scheinbar Absurde tun: ihren – vor allem den zornigen – Impulsen nicht nachgeben, sondern genau die Art von Reaktionskontrolle aufbieten, die die Beobachter, Typ 5 im Enneagramm, beispielsweise überwinden müssen. Innehalten, nachspüren, nicht sofort agieren. Wenn sie das schaffen, taucht unter der Wut vielleicht ein Wunsch auf, eine Sehnsucht, eine Verletzlichkeit. Die Empfindsamkeit ist oft groß, dafür hat es eines starken Panzers bedurft. Wenn sich nun Energie und Sensibilität neu verbinden dürfen – wie schön!
Typ 9 Die Vermittler
Man versuche einmal, mit einem Vermittler in Streit zu geraten. Schwierig bis unmöglich. »Ich bin eben friedfertig und ausgeglichen.« Sie sind bis in die Haarspitzen diplomatisch, freundlich und legen sich selten mit jemandem an – weil es ihnen das nicht wert ist. Sie sind geduldig und großzügig, verschenken Wertschätzung leicht und warmherzig, man spürt keine Gegenforderung. Sie können Talente anderer neidlos anerkennen und sie fördern. In ihrer Gegenwart fühlt man sich gemocht und akzeptiert, man spürt keinen Tadel, kein »Sei anders!«, man muss sich nicht erst anstrengen. Das ist vielleicht das größte Geschenk, das sie machen.
Sie wirken geerdet und in sich ruhend und bleiben es auch, wenn andere nervös werden. Daher können sie gut beruhigen, ermutigen, unerschütterlich sein. Die anderen erscheinen ihnen dagegen oft unnötig aufgeregt und emotional. »We’ll cross that bridge when we come to it« ist ein typisches Motto. Diese Vermittlerphilosophie ist der Gegenentwurf zum Typ des Loyalen, der sich im Vorfeld oft viele Gedanken und Sorgen macht: Vermittler kümmern sich dann (und erst dann!) um das Problem, wenn es da ist. Jede zu frühe Beunruhigung – unnötig. Da muss man jetzt noch nichts machen. »Das wird schon wieder!«, »Halb so schlimm«, »Mach dich nicht verrückt!«
Sie sind virtuos darin, den Ball flach zu halten. Außerdem muss man immer alle Seiten sehen, eigentlich hat doch jeder recht … Vermittler sind im besten Sinn unparteiisch und die Idealbesetzung, um einen Konflikt zu moderieren, an einem Ausgleich der Interessen mitzuwirken, gegenseitiges Verständnis zu ermöglichen. Ihre Differenziertheit und die Fähigkeit des »Sowohl als auch« machen es ihnen andererseits mitunter schwer, zu priorisieren und zu fokussieren; sie stehen in Gefahr, sich zu verzetteln.
Im kleinen Karo des Zusammenlebens sind Vermittler völlig unproblematisch, man kann ihnen alles vorschlagen, und sie machen alles mit. Kino oder Coach? Party oder Orgelkonzert? Spaghetti oder Steak? Beides recht. Und dann ist es auch wirklich recht. Kein Nachkarten, wie das andere täten (»Ich wäre/hätte ja doch lieber … aber na ja …«).
Im großen Karo allerdings, an wichtigen Weggabelungen, entscheiden sie selbst, und es dürfte eher aussichtslos sein, sie von ihrem (neuen) Kurs abzubringen.
Wie passt das zusammen?
Vermittler mögen keine Konflikte. Einen großen Teil ihrer Energie verwenden sie dazu, sie zu vermeiden. Für sich und für andere. Das bedeutet aber bei Weitem nicht, dass sie es mögen, wenn man versucht, sie zu dominieren. Sie entziehen sich dann. Sie machen keinen Aufstand, sondern einfach weiter das, was sie für richtig halten. Autonomie ist ihnen wichtig, auch wenn das oberflächlich betrachtet nicht so wirkt. Wenn man sie zu etwas drängt, beißt man auf (zwar freundlichen, aber trotzdem:) Granit. Ihre Sturheit ist legendär. Sie haben sehr wohl eigene Vorstellungen, nur liegt es ihnen nicht, Wind zu machen. Beharrlichkeit halten sie für die bessere Strategie. Wenn man sie allerdings zu sehr drängt, kann die passive Aggressivität auch in offenen Widerstand umschlagen.
Entscheidungen, insbesondere, wenn es um Veränderungen geht, schieben sie vor sich her, oft auch über die
Weitere Kostenlose Bücher