Das Ende Der Ausreden
kommen wir nun konkret weiter?
Im letzten Kapitel sind wir zusammen noch einmal einige Ausredenschleifen geflogen, und Sie konnten die Alternative – weitermachen wie bisher – prüfen. Gehen wir einmal davon aus, Ihnen wäre plausibel geworden, dass Persönlichkeitsentwicklung weniger Luxus als Notwendigkeit ist. Und dass Sie sich für ein Mehr an Freiheit gegenüber dem eigenen Muster interessieren. Dann sind Sie jetzt an einem Punkt, an dem Sie denken: Alles gut und schön! Aber: Wie komme ich nun konkret weiter?
In dieser Frage kann jedes Wort einzeln betont werden, alle sind wichtig.
Wie , auf welche Weise? Was kann ich machen, was sollte ich lassen und was beginnen? Und zwar: ich persönlich, nicht irgendjemand, ich in meiner Lebenssituation. I me mine. Ja, ich mag zu einem Muster gehören, aber es gibt mein Leben so eben nur ein einziges Mal, also: Welcher Weg passt konkret zu mir? Und was wird dann sein, wenn ich weiter bin? Bin ich dann noch echt? Oder verändere ich mich etwa in eine Richtung, die ich gar nicht wollen kann und die meiner Familie vielleicht auch nicht gefällt? Werden die Vorteile der Entwicklung die Nachteile ausgleichen? Lohnt sich die Mühe?
Und noch eine Frage gibt es vielleicht: Kann ich mich als erwachsener Mensch überhaupt noch ändern? Oder ist das alles Augenwischerei, und am Ende sitzen die Erziehung, die Reflexe, das Erfolgsrezept oder einfach die Macht der Gewohnheit doch am längeren Hebel?
Noch einmal zur Erinnerung: Wir sind unfrei. Und: Wir sind zu Freiheit fähig.
Unfrei sind wir zunächst, weil wir in einem ganz erheblichen Maß unbewusst gesteuert sind. Zu einem erstaunlich hohen Prozentsatz macht unser Gehirn lauter Sachen, auf die wir keinen Einfluss haben. Es regelt den Blutdruck, die Körpertemperatur, die Hormone, sortiert selbstständig die Flut der Reize in »wichtig« und »unwichtig« und so fort. Soviel zur Idee der bewussten Selbststeuerung. Daneben hängen wir an den Marionettenfäden diverser Mechanismen, von denen viele in der Kindheit wurzeln. Wie wir unserem Liebsten oder der kleinen Tochter begegnen, auf unseren Chef oder den Verkehrspolizisten reagieren – das ist nur zum Teil reflektiert und bewusst gesteuert. Vieles machen wir in ungewollter Wiederholung der eigenen Geschichte, oft sind wir mal gerade fünf Jahre alt, so unreif, wie wir uns verhalten.
Andererseits sind wir zur Freiheit fähig. Unser Bewusstsein und die Möglichkeit des Dialogs, der Reflexion, Begegnung, Freundschaft und Liebe ermöglichen uns, das eine oder andere dessen, was wir weitgehend automatisiert tun, zu erkennen und neu abzuwägen. Wir können variieren, wir können ausprobieren, üben, lernen, verlernen und uns von Gewohnheiten lösen. Nicht unbegrenzt, aber in Maßen. Wir können Erstaunliches leisten – nicht von heute auf morgen, wenn es sich um teilweise jahrzehntealte Gewohnheiten handelt, aber mit Geduld, der Bereitschaft zum Üben und am besten mit der Hilfe von Komplizen in unserem Umfeld.
Ob das wahr ist? Ob diese Annahmen wirklich stimmen? Das kann ich nicht sagen. Sie auch nicht. Aber es sind vernünftige, weil stärkende und erweiternde Annahmen. Sie lassen uns eher handeln als abwarten. Darauf kommt es an.
Als Nächstes müssen wir allerdings einen ganz entscheidenden Schritt tun: Wir müssen die Unterscheidung zwischen Ego und Selbst wieder einführen.
18 Zurück zum Selbst finden: Die Kraft der Stille
Es gibt nur eine Zeit,
in der es wesentlich ist aufzuwachen.
Diese Zeit ist jetzt.
Buddha Siddharta Gautama
Solange wir uns mit dem Ego identifizieren, verwechseln wir uns mit einer reduzierten Version unserer selbst. Da wir das Bild, das wir von uns haben und das uns so vertraut ist, nicht mehr als Konstruktion (also: selbst gebaut) erkennen, sondern es für naturgegeben halten, wird alles andere passend gemacht. Wir machen nur noch Erfahrungen, die unser Skript bestätigen. Andere Erlebnisse erklären wir zur Ausnahme oder sie fallen unter die Bewusstseinsschwelle – eine Prophezeiung ist im Begriff, sich selbst zu erfüllen. So müssen wir, wenn wir uns den inneren Reichtum erschließen wollen, als Wichtigstes verstehen, dass das Ego nur das Ego ist. Und wir: Wir sind mehr als das Ego.
Was wir vorhaben, nennt sich Ent-Identifizierung. Klingt furchtbar theoretisch, klingt überhaupt grässlich, ist aber präzise das, um was es geht: Wir müssen die Identifikation mit unserem Ego beenden, wir müssen unseren lebensalten Vertrag aufkündigen.
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